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Prokaryoten


Prokaryoten sind Organismen ohne Zellkern. Zu ihnen gehören die Bakterien und die Blaualgen (Cyanophyta, wegen ihrer Ähnlichkeit mit Bakterien auch Cyanobacteria genannt). Prokaryoten hatte man zeitweilig zu einem einheitlichen Organismenreich zusammengefaßt. Inzwischen gibt es aber unumstößliche Beweise dafür, daß sie in zumindest zwei Reiche zerfallen, deren Zellen sich im Bau und Stoffwechsel grundsätzlich voneinander unterscheiden:

Und doch gibt es auch Gemeinsamkeiten: Dazu gehören vor allem Strukturen, die zum Erhalt, der Expression und für die Weitergabe genetischer Information benötigt werden (siehe Hyperzyklen). So enthalten Ribosomen der Zellen aus beiden Reichen, neben einer Anzahl von Proteinen, ribosomale RNS (rRNS) und tRNS. Die Ribosomenstruktur und beide RNS-Sorten gehören zu den konservativsten, in allen Zellen nachgewiesenen supramolekularen Komplexen respektive Molekülen. Es gibt einen hohen Selektionsdruck, bewährte Strukturen unverändert beizubehalten. Dennoch kam es selbst hier im Verlauf der Zeit zu Modifikationen und wegen der Allgegenwärtigkeit der RNS und der Ribosomen eignen sie sich als Marker, um die Verwandtschaftsbeziehungen der Organismenreiche untereinander zu klären. Aus labortechnischen Gründen ist es sinnvoll, sich auf die Analyse der RNS zu beschränken; und um Verwandtschaftsgrade und phylogenetische Zusammenhänge aufzuklären, ist es nicht unbedingt erforderlich, die Basensequenzen festzustellen, Näherungsverfahren geben ebenso schlüssige Daten.

Eine Sequenzanalyse (die wegen des relativ hohen Aufwands an nur wenigen Arten durchgeführt werden kann) kann natürlich zusätzliche Informationen liefern. Wenn man die Sequenz einer Polynukleotidkette kennt, läßt sich rechnerisch (durch Optimierung) die Sekundärstruktur ermitteln. Dabei zeigt sich, daß diese als ein noch weit konservativerer Marker angesehen werden kann als die Existenz bestimmter Basen an bestimmten Positionen. Sekundärstrukturen bleiben selbst dann erhalten, wenn es im Verlauf der Zeit zu erheblichen Veränderungen der Nukleotidabfolge gekommen ist und Homologien durch einfachen Vergleich zweier Sequenzen nicht mehr nachweisbar sind. Zur Ausbildung von Basenpaaren muß also nicht unbedingt an einer bestimmten Stelle ein A einem U gegenüberstehen; der Wechsel zu G und C ändert an der Situation nur wenig. Innerhalb einer Abfolge von Basenpaaren können durchaus auch "falsche" Basenpaare zustande kommen, denn zwischen C und A oder anderen Kombinationen werden ebenfalls Wasserstoffbrücken ausgebildet, die zur Stabilität der Sekundärstruktur beitragen. Diese Argumentation scheint dem zu widersprechen, was bei der Behandlung der Evolution genetischer Information abgeleitet wurde. Der Widerspruch ist jedoch nur scheinbar, weil rRNS "nur" eine Strukturkomponente (ein primäres Genprodukt) ist. Die Basenabfolge enthält keine genetische Information.

Wie konservativ eine Sekundärstruktur sein kann, ergibt ein Vergleich der rRNS aus Chloroplasten grüner Pflanzen mit der aus Blaualgen: beide Strukturen weisen einen extrem hohen Homologiegrad auf und wie wir anschließend noch sehen werden, gehören diese Daten zu den sichersten Stützen der Endosymbiontenhypothese.

Andererseits zeigt die Analyse der rRNS, daß es gewaltige Unterschiede zwischen Archaebakterien und Eubakterien gibt und daß die Variabilität der rRNS innerhalb der Archaebakterien weit größer als innerhalb der Eubakterien ist. Unter Zusammenfassung aller an rRNS gewonnenen Daten ist zu schließen, daß sich im Verlauf der Diversifikation der Organismen schon sehr früh drei voneinander getrennte Evolutionslinien herausgebildet haben, von denen eine zu den Archaebakterien, die andere zu den Eubakterien und die dritte zu den Eukaryoten geführt hat.

Als hypothetische Urformen nimmt man die Existenz von primitiven Zellen (Progenoten oder Protozellen) als gemeinsame Vorfahren an. Von wenigen Ausnahmen (Mycoplasma, Thermoplasma u.a.) abgesehen, sind prokaryotische Zellen von einer Zellwand umgeben. Innerhalb der Gruppe der Archaebakterien besteht eine große Variabilität in bezug auf die chemische Zusammensetzung und Struktur der Wand. Im Gegensatz dazu findet man bei den Eubakterien eine weitgehende Gleichförmigkeit; die Wände bestehen hier aus einer oder mehreren Mureinschichten, was sich durch ein einfaches Färbeverfahren (Gramfärbung) leicht feststellen läßt. Aufgrund dieser Reaktion unterscheidet man zwischen grampositiven und gramnegativen (Eu)-Bakterien. Diese Einteilung hat sich als ein zuverlässiges taxonomisches Merkmal herausgestellt.

Die genetische Information der Prokaryoten ist in der Regel in einem ringförmigen DNS-Molekül gespeichert. Bei Archaebakterien kommt gene-splicing vor, d.h., die Information zur Bildung einer Polypeptidkette ist auf mehrere Stücke (Exons) verteilt, die durch nicht-codierende Abschnitte (Introns) voneinander getrennt sind. Diese Organisationsform ist bei Eubakterien (bisher?) nicht nachgewiesen worden. Bei gut bearbeiteten Arten, z.B. Escherichia coli kommt gene splicing mit Sicherheit nicht vor, woraus zu schließen ist, daß das Genom dieser Bakterien im Verlauf der Evolution optimiert worden ist und aller Ballast abgeworfen wurde. Die vollständige Nukleotidsequenz (Stamm K12) ist bekannt. Sie enthält 4.639.221 Basenpaare, was 4288 Genen entspricht. 38 % dieser Gene konnten noch keiner für die Zelle essentiellen Funktion zugeordnet werden. Wieder ein Hinweis darauf, daß Organismen offensichtlich über weit mehr genetische Information verfügen, als sie zum eigentlichen Überleben benötigen. Da das Genom auch Insertionselemente und Sequenzanteile mit ungewöhnlicher Zusammensetzung enthält, ist zu schließen, daß es plastisch organisiert und für horizontalen Gentransfer prädestiniert ist (BLATTNER, F. R. et al. (16 Koautoren), 1997)


Neben dem einen DNS-Molekül (oft auch Bakterienchromosom genannt) kommen zusätzliche, viel kleinere DNS-Moleküle (Plasmide) vor. Auch sie tragen genetische Information, vor allem solche, die nicht ständig benötigt wird, sich bei Bedarf aber als lebensnotwendig erweisen kann (z.B. Antibiotikaresistenz).

(Manche) Plasmide können in das Bakterienchromosom integriert werden. Teile daraus können umgekehrt herausgeschnitten und von Plasmiden übernommen werden. via Plasmid kann genetische Information von einer Zelle auf eine andere übertragen werden, wobei Artgrenzen keine unüberwindlichen Hindernisse sind (horizontaler Gentransfer). Trotzdem bleibt die Konstanz des Genoms der einzelnen Arten weitgehend gewahrt, weil in Zellen eindringende Fremd-DNS meist als solche erkannt und abgebaut wird. Bakterien verfügen über ein umfangreiches Sortiment an Restriktionsendonukleasen, die u.a. diesem Zweck dienen. Das Bakteriengenom ist weitgehend haploid, auf Plasmiden gespeicherte Information muß jedoch als polyploid eingestuft werden, weil Zellen in der Regel mehrere gleichartige Kopien eines bestimmten Plasmidtyps enthalten.

Neben dem Austausch genetischer Information durch Plasmide kommen andere Mechanismen vor, d.h., die Zelle ist durchaus in der Lage, wertvolle Information durch DNS-Aufnahme zu erwerben. Die Vorgänge, die dazu führen, faßt man allgemein unter dem Begriff Parasexualität zusammen. Im Unterschied zur Sexualität eukaryotischer Zellen, bei der die genetische Information beider Partner gleichwertig ist und beide Anteile gleichermaßen für die Ausbildung der Nachkommenschaft genutzt werden, wird bei der Parasexualität (in günstigsten Fällen) lediglich die Information eines der Partner auf Kosten des anderen verbessert.

Alle Prokaryoten haben 70 S Ribosomen; die Proteinbiosynthese an ihnen wird durch Chloramphenicol gehemmt.

Bakterienzellen sind in der Regel sehr klein. Man hat errechnet, daß das Volumen nicht ausreichen würde, um alle Genprodukte zu fassen, die durch das Genom der betreffenden Zelle codiert werden können.

Aus Mangel an morphologischer Variation werden Bakterien aufgrund ihrer Stoffwechselleistungen klassifiziert. Die bereits besprchenen Leistungen den chemolitoautotrophen, der heterotrophen und der photoautotrophen Bakterien können als Hinweis auf die Mannigfaltigkeit dieser Leistungen verstanden werden. Darüber hinaus kann jede Zelle ihre Stoffwechselaktivitäten nach Bedarf regeln. Bestimmte Enzyme (vor allem solche, die am Kohlenhydratstoffwechsel beteiligt sind) werden nur bei Bedarf gebildet. Dann nämlich, wenn ausreichende Mengen des betreffenden Substrats im Medium enthalten sind; ansonsten ist die Synthese dieser Enzyme reprimiert. Damit werden Energie, Platz und Material gespart. Die dafür erforderlichen Regelmechanismen sind außerordentlich vielgestaltig; beteiligt sind daran vor allem das Substrat selbst, ein für das Substrat spezifisches Regulatorprotein, und ein Abschnitt auf der DNS, der von dem Regulatorprotein erkannt wird. Der Komplex Regulatorprotein-DNS verhindert die Transkription des darauffolgenden Gens (oder der darauffolgenden Gene) und damit die Bildung des Enzyms (oder der Enzyme), die für die Umsetzung des betreffenden Substrats benötigt werden. Diese Mechanismen weisen darauf hin, daß es auf der Ebene der Prokaryoten Vorgänge gibt, die man als Differenzierung bezeichnen muß.

Viele Arten können unter ungüngstigen Außenbedingungen Zysten (Dauerzellen) bilden, in denen der Stoffwechsel zeitweilig ruht und die bei Verbesserung der äußeren Umstände sich wieder zu teilungsfähigen Zellen regenerieren können.

Bakterien sind meist Einzeller; Zellen vieler Arten können aber zu regelmäßig strukturierten Aggregaten (Kolonien) vereint sein. Hierzu gehören vielzellige Fäden (Filamente, Trichome): polar gebaute, schraubig gewundene oder zu Bündeln angeordnete. Kugelförmig strukturierte Bakterien (Kokken) sind in regelmäßigen Mustern (Viererpackungen) organisiert. Vielfach sind solche Kolonien von voluminösen Gallerthüllen umgeben. Unterschiedlich strukturierte Zellen in einem Verband (z.B. bei Myxobakterien und bei den Actinomyceten) weisen auf Arbeitsteilung hin. Manche der Aggregate ergeben ein Erscheinungsbild, das man von Pilzmycelien her kennt.


© Peter v. Sengbusch - b-online@botanik.uni-hamburg.de