Die Rosales sind eine typische Sammelgruppe, für die man keine verläßlichen diagnostischen Merkmale angeben kann. Man kann lediglich sagen, daß sie nie Parasiten und nie an eine aquatische Lebensweise adaptiert sind. Von den 24 Familien sind 21 fast nur Experten bekannt, viele von ihnen kommen, wie so oft in solchen Fällen, fast nur in den Tropen vor und bestehen oft nur aus einer oder nur wenigen Arten. Doch gerade sie sind es, die zu der oben skizzierten Verwirrung beitragen. Drei der Familien hingegen sind artenreich, weltweit verbreitet, gut zu definieren und allgemein bekannt:
Rosaceae (3000 Arten)
Crassulaceae (900 Arten)
Saxifragaceae (700 Arten)
Blüte von Rosa pendula und Hagebutten, typische Fruchtform der Gattung Rosa.
ROSACEAE: Bäume, Sträucher und Kräuter. Die Blätter sind einfach oder zusammengesetzt und oft mit auffallenden Nebenblättern bestückt. Die ebenfalls auffallenden großen Blüten sind meist fünfstrahlig oder polypetal, und in der Regel radiärsymmetrisch und zwittrig. Die Zahl der Stamina beträgt fünf oder ein Zwei- bis Vierfaches der Petalenzahl. Der Fruchtknoten ist meist apokarp, die Karpelle sind oft nur an der Basis verwachsen. Die Griffel sind frei. Die Blütenachse (der Blütenboden) ist entweder vertieft, flächig verbreitert, oder kegelförmig gestaltet. Nicht selten wird die Blütenachse in die sich bildende Frucht mit einbezogen. Die Rosaceae unterteilt man üblicherweise in vier Unterfamilien, die sich im Bau des Gynoeceums und folglich in der Art ihrer Früchte vonei^ander unterscheiden lassen:
Bereits 1930 erkannte K. SAX, daß die Maloideae x = 17 Chromosomen enthalten, während die Basiszahl für dle Spiraeoideae x = 8 oder 9 und für die Rosoideae x = 7, 8 oder 9 beträgt. Von diesen Befunden ausgehend, nahm er (1935) an, die Maloideae seien durch Bastardierung von je einer Art der zuletzt genannten Unterfamilien entstanden. Denkbar wäre jedoch auch eine Polyploidisierung nur einer Art (mit nachfolgendem Chromosomenverlust, einer Chromosomenfusion oder dem Gewinn eines Chromosoms), oder eine Bastardierung zweier Arten aus einer der Unterfamilien.
Die Progressionsreihen einiger der häufigsten Fruchtformen sind die für diese Familie das wohl sicherste Merkmal zur Klärung phylogenetischer Zusammenhänge. Die Rosaceae produzieren einige charakteristische sekundäre Pflanzenstoffe. Die Verbreitung einiger ist auf einzelne Unterfamilien (bzw. deren Früchte) beschränkt. Die Samen sind stets stärkefrei, oft enthalten sie Öl (z.B. Bittermandelöl), manchmal auch cyanogene Verbindungen [z.B. Amygdalin in Samen des Mandelbaums Prunus dulcis var. amara].
Triterpensaponine und Gerbstoffe sind weit verbreitet (meist in Blättern). Ellagsäure und Gallussäure treten nur bei den Rosoideae auf. Sorbitol fehlt gerade dort, kommt aber bei den anderen Unterfamilien vor.
Spiraeoideae. Am bekanntesten sind einige Ziersträucher: Spiraea, Sorbaria, ihr auffallendes Merkmal sind Balgfrüchte. Rosoideae sind durch einsamige Schließfrüchte oder Beeren gekennzeichnet. Die Existenz von balgähnlichen, sich bei der Reife aber nicht öffnenden Früchten von Filipendula weist auf die Verwandtschaft mit den Spiraeoideae hin. Bei Fragaria (Erdbeere) ist die Blütenachse fleischig verdickt. Die Sammelsteinfrüchte der Brom- und Himbeeren (Rubus-Arten) sind von einem fleischigen Mesokarp umhüllt. Nüßchen findet man bei Alchemilla (Frauenmantel), Sanguisorba (Wiesenknopf) u.a.; bei Dryas octopetala (Silberwurz) wird der Griffel während der Fruchtreife zu einem Flugorgan umgestaltet.
Dryas octopetala
Die Früchte der genannten - und auch nichtgenannter - Arten sind wegen ihres hohen Zuckergehalts, dem hohen Gehalt an organischen Säuren (Äpfelsäure, Zitronensäure u.a.) und Vitamin C für die Ernährung von Mensch und Tier bedeutungsvoll (Beerenobst). Wie kaum eine andere Gruppe haben sich die Rosoideae auf eine zoochore Samenverbreitung spezialisiert (das gilt auch für die beiden folgenden Unterfamilien). Die Blüten der Rosoideae sind meist sehr groß, duftend, und am Grunde nektarreich. Sie werden von einer Vielzahl von Insekten bestäubt. Viele Arten werden als Zierpflanzen gehalten. Die Rose wäre als herausragendes Beispiel zu nennen. Ihre Wildarten sind wegen der Tendenz zur Bastardbildung und einem eigenartigen Vererbungsmechanismus oft nur schwer zu bestimmen: matrokline Vererbung. Im Rosa-canina-Komplex werden über Eizellen 21 Chromosomen, über den Pollen nur sieben weitergegeben. Die Kultursorten der Rose sind komplexe Bastarde, die auf mindestens neun Wildarten zurückzuführen sind.
Weitere bekannte Vertreter dieser Unterfamilie: Potentilla (Fingerkraut, mit 300 Arten die artenreichste Gattung), Geum (Nelkenwurz).
Prunoideae. Zu den Prunoideae gehören Arten, deren Früchte man als Steinobst bezeichnet: Kirschen, Pflaumen, Aprikosen, Zwetschen (alles Gattung Prunus).
Maloideae. Hierzu gehören Arten, die als Kernobst bekannt sind:
Malus communis (Apfel)
Pyrus communis (Birne)
Crataegus monogyna und C. oxyacantha (Ein-, bzw. Zweigriffliger Weißdorn)
Mespilus germanica (Mispel)
Sorbus aucuparia (Vogelbeere)
Die Früchte sind reich an Sorbitol, Zuckern, Fruchtsäuren und Vitamin C. Birnen (Pyrus-Früchte) unterscheiden sich von Äpfeln (Malus-Früchten) durch das Vorkommen von Steinzellen. Die unterschiedlichen Verhältnisse von Zuckern, Alkoholen (Sorbitol), organischen Säuren und sekundären Pflanzenstoffen bedingen den jeweils art- oder sortenspezifischen Geschmack.
Crassulaceae: Die Crassulaceae (Dickblattgewächse) sind sukkulente Kräuter oder Stauden. Die Photosynthese verläuft meist nach dem CAM-Schema, das ja auch nach ihnen benannt ist: Crassulacean-Acid-Metabolism. Die meisten Arten sind an aride Biotope adaptiert, wenige auch an feuchte. Die charakteristischen Speicherstoffe und die Produkte des Sekundärstoffwechsels sind Sedoheptulose und Isocitrat. Die Akkumulation beider Substanzen steht im Zusammenhang mit dem CAM, sie sind daher als Produkte des Primärstoffwechsels anzusehen. In einzelnen Zellen des parenchymatischen Gewebes sind Calciumoxalatkristalle enthalten. Ferner sind Piperidinalkaloide zu nennen. Mit Ausnahme von Australien und Polynesien, sind Crassulaceen weltweit zu finden. Die bekanntesten Gattungen sind Aeonium, Sedum, Crassula, Sempervivum und Kalanchoe. Letztere wird als Versuchsobjekt zum Studium des Photoperiodismus verwendet. Bryophyllum dient als Beispiel zur Demonstration von Brutknospen. Die Gattung Penthorum weist auf eine Verwandtschaft zwischen den Crassulaceen und den Saxifragaceen hin, denn ihre zahlreichen Karpelle und Sepalen sind für Crassulaceen typisch. Die Pollen weisen Crassulaceen- und Saxifragaceen-Merkmale auf, und die vegetativen Organe (u.a. fehlende Sukkulenz) solche der Saxifragaceae. Die art- und standortspezifischen Unterschiede der Blattobeflächen lassen sich mikroskopisch durch Einsatz der Epidermisabdruckmethode gut sichtbar machen.
|
Saxifragaceae: Die Saxifragaceae (Steinbrechgewächse) sind in der Regel perennierende Stauden, selten annuelle Kräuter. Die Oberflächen der vegetativen Teile sind meist mit vielzelligen Haaren besetzt, gelegentlich sind Ansätze einer Sukkulenz erkennbar. Wie bei den Crassulaceen wird oft Sedoheptulose gespeichert. CAM wurde bei einigen Arten nachgewiesen. Meist stehen die Blätter wechselständig, selten gegenständig. Als Arten, die sich gerade in diesem Punkt unterscheiden, können die an schattigen Wassergräben, an Waldbächen und auf Quellfluren oft nebeneinander vorkommenden Milzkräuter Chrysosplenium alternifolium und Chrysosplenium oppositifolium zitiert werden.
Die Blätter vieler Saxifraga-Arten besitzen Hydathoden, an denen üblicherweise Kalk abgesondert wird. Die zu razemösen oder zymösen Infloreszenzen vereinten Blüten sind radiärsymmetrisch oder leicht asymmetrisch und fast immer zwittrig; sie enthalten meist einen mittel- oder unterständigen Fruchtknoten, lediglich der von Parnassia ist nahezu oberständig.
Bei Parnassia palustris stehen Stamina und Staminodien alternierend. Die Staminodien sind mit langen, glänzenden Haaren besetzt, die eine Nektarksekretion vortäuschen. Verschiedentlich wird Parnassia statt zu den Saxifragaceen einer eigenen Familie zugeordnet..
Saxifragaceen sind Kosmopoliten. Verbreitungsschwerpunkte sind die nördlichen kalten und gemäßigten Zonen sowie Hochgebirge.