Durch die in den vorangegangenen Themen behandelten Beispiele konnten Evolutionsprozesse veranschaulicht werden. Die Ergebnisse vieler Experimente lassen sich durch die Aussage deuten, daß bestimmte Eigenschaften den Individuen einen echten Selektionsvorteil gegenüber jenen bieten, denen diese Eigenschaften fehlen. Die oft rasche Ausbreitung neuer Genotypen weist darauf hin, daß sie sich ihren Vorgängern gegenüber durch eine erhöhte Fitneß auszeichnen. Wie hängen nun aber Fitneß und Selektion zusammen, wie werden diese Begriffe definiert und welche mathematischen Ansätze sind erforderlich, um eine Selektion zu quantifizieren und Modelle zu erstellen, die geeignet sind, Vorhersagen über den Erfolg bestimmter Strategien zu treffen?
Wie an anderer Stelle vermerkt, befaßte sich der britische Mathematiker und Genetiker R. A. FISHER (1890-1968) seit den zwanziger Jahren mit Fragen dieser Art und entwickelte das dafür nötige mathematische Rüstzeug. Weitere entscheidende Anstöße gab der Amerikaner S. WRIGHT (1889-1988).
Evolution kann als ein Wandel der genetischen Zusammensetzung von Populationen betrachtet werden. Um Selektion und Fitneß zu verstehen, bedarf es daher zweier voneinander unabhängiger Betrachtungen:
- Man muß sich mit Reproduktionsraten und Wachstumsfunktionen auseinandersetzen.
- Man muß populationsgenetische Ansätze (HARDY-WEINBERG-Gleichgewicht) als Basis für weiterführende Berechnungen heranziehen.
Eine Theorie der natürlichen Selektion muß die Vermehrungsrate, die Sterblichkeit, die Populationsgröße, die Kapazität des Lebensraums und die Gesetze der Genetik berücksichtigen. Nur so lassen sich experimentell ermittelte Werte in eine rechnerisch handhabbare Form bringen, mit deren Hilfe man die Änderungen (Verbesserungen) einer Art in bezug zu ihrer Umwelt erfassen kann.
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