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Die pflanzliche Entwicklung wird, weit mehr noch als die tierische, durch externe (exogene) Signale oder Faktoren gesteuert. Ein Same keimt beispielsweise erst, wenn die äußeren Bedingungen günstig sind. Es muß genügend Feuchtigkeit und Wärme vorhanden sein und die Tageslänge muß einen kritischen Wert überschritten haben. Bei vielen Arten aus Klimazonen mit saisonbedingten Temperaturunterschieden sind die Samen erst nach dem Durchlaufen einer Kälteperiode (Stratifikation) keimungsbereit, nicht zu verwechseln mit Vernalisation, die nur etwas mit der Blütenbildung (nach einer Kältephase) zu tun hat. Alles weist darauf hin, daß die Samen einen Inhibitor enthalten, der in der kalten Jahreszeit sukzessive abgebaut wird und damit den Weg zur Keimung freigibt. Bei einigen Arten kann er durch lange Trockenheit und Wärme erneut produziert werden. Die Samen durchlaufen damit rhythmisch Perioden der Keimungsbereitschaft und Keimungsruhe, wodurch Pflanzen bei gleicher Tageslänge einen Frühjahrs- von einem Herbsttag unterscheiden können.
Jahreszeitliche Schwankungen der Keimfähigkeit der Samen von Hyoscyamus niger (Bilsenkraut, Solanaceae) und Gratiola officinalis. (Gnadenkraut, Scrophulariaceae). Die Samen sind trocken und unter konstanten Bedingungen aufbewahrt worden. Der Prozentsatz der gekeimten Samen wurde bei Hyoscyamus jeweils nach sieben, bei Gratiola nach 14 Tage langem Aufenthalt der Samen im Keimbett bestimmt (E. BÜNNING, 1953)
Der wichtigste wachstumsregulierende Faktor ist das Licht. Pflanzen können zwischen verschiedenen Wellenlängen des Lichts und unterschiedlich langen Hell-Dunkel-Perioden diskriminieren.
Das Ausmaß des Pflanzenwachstums ist ebenfalls umweltabhängig. Bei gleicher genetischer Konstitution ist ein gut versorgtes Individuum einem unterversorgten in allen meßbaren physiologischen und morphologischen Merkmalen überlegen. Die Adaptation an bestimmte Umweltparameter gehört mit zu den am meisten studierten Phänomenen in der Botanik. Stets hat die Pflanze auf einen ganzen Faktorenkomplex zu reagieren, wobei sich die Einzelfaktoren additiv oder multiplikativ auf ihr Wachstum auswirken. Hierzu wird in allen folgenden Themen etwas zu sagen sein. Die Entwicklung einer Pflanze, wie die eines jeden Vielzellers setzt eine Spezialisierung der am Aufbau beteiligten Zellen, eine optimale Versorgung und einen ausreichenden Informationsfluß zwischen ihnen voraus. Das Informationssystem der Pflanzen ist dem der Tiere weit unterlegen. Es gibt kein so effektiv wirkendes Molekül- und Zellverteilungssystem, wie zum Beispiel die Blutbahnen, und es gibt kein Nervensystem. Es gibt aber pflanzliche Hormone und spezialisierte Zellen, die auf deren Konzentrationsänderungen reagieren).
Tiere zeichnen sich durch allometrisches Wachstum aus, was soviel bedeutet, daß es während der Wachstumsphase in allen Geweben sich teilende Zellen gibt und daß die Größenzunahme auf einem proportionalen Wachstum sämtlicher Teile beruht. Die tierische Entwicklung verläuft zudem nach einem terminierten, zeitlich festgelegten Programm, während die pflanzliche Entwicklung beliebig oft unterbrochen werden kann; die Entwicklungsgeschwindigkeit bleibt variabel.
Pflanzen zeichnen sich durch ein Spitzenwachstum aus. Es teilen sich in der Regel nur die in Meristemen liegenden Zellen an der Peripherie des Vegetationskörpers. Alle übrigen befinden sich in einem Ruhestadium. Wie wir aber schon gesehen haben, bleibt deren Teilungsfähigkeit meist erhalten und kann bei Bedarf zusätzlich reaktiviert werden (Totipotenz der Pflanzenzellen). Daß es während des Wachstums und der Größenzunahme dennoch zu einem Abgleich der Aktivitäten der einzelnen Vegetationspunkte kommt (Apikaldominanz), belegt allein die Tatsache, daß auch Pflanzen eine artspezifische Gestalt annehmen. Es sind eine Anzahl von Regeln erkannt worden, nach denen die Wachstums- und Differenzierungsprozesse ablaufen. Die wohl wichtigsten Faktoren sind die Ausbildung einer Polarität sowie das Vorhandensein von Gradienten aktivierender und inhibierender Substanzen in Geweben. Durch die oben-unten-Polarität wird die Pflanzenachse festgelegt. Gradienten morphogener (gestaltbildender) Substanzen bestimmen die Ausbildung ganz spezifischer Muster, wie die wechsel- oder gegenständige Stellung von Seitentrieben oder Blättern, die gleichmäßige Verteilung von Schließzellen oder Haaren auf Blattoberflächen oder den Zeitpunkt der Blütenbildung.
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