Die Commelinidae sind eine der beiden größten und erfolgreichen Unterklassen der Monokotyledonen. Im Gegensatz zur zweiten (Liliidae) zeichnet sich hier ein deutlicher Trend zur Anemophilie und der damit verbundenen starken Reduktion der Blütenstruktur ab. Verholzte Pflanzen sind selten, die meisten Arten sind mehrjährige Kräuter (=Stauden). Die Blätter stehen wechselständig, oft aber auch grundständig. Sie sind einfach, parallelnervig und in ihrem unteren Teil als offene oder geschlossene Scheide ausgebildet, mit der sie den Stengel umhüllen. Die Blüten sind zwittrig oder eingeschlechtig, in der Regel ohne Nektarien und ohne Nektar. Das Gynoeceum besteht aus zwei bis drei oder vier verwachsenen Karpellen. Die Placentation der Samenanlagen ist zentralwinkelständig, parietal oder frei zentral (basal oder apical). Der Fruchtknoten ist stets oberständig. |
Die Befruchtung erfolgt durch pollensammelnde Insekten (vor allem bei den Familien mit ursprünglichen Merkmalen), besonders aber durch Wind. Auch Apomixis kommt vor. Die Früchte sind meist trocken. Sie enthalten in der Regel stärkehaltiges Endosperm, gelegentlich auch ein eine oder wenige Zellschichten dickes, proteinhaltiges Speichergewebe (Aleuron).
Die 15 000 Arten der Commelinidae lassen sich sieben Ordnungen (16 Familien) zuordnen. Weit über die Hälfte der Arten gehören zu den Poaceae (Gramineae, Gräsern). Zusammen mit den Cyperaceae (Ried- oder Sauergräsern) machen sie 80 Prozent aller Arten aus. Als primitivste Ordnung gelten die Commelinales, deren Vertreter oft noch auffallende, mit einem Perianth versehene Blüten besitzen. Bei ihnen lassen sich zahlreiche Übergänge von Entomophilie zu Anemophilie feststellen. Einen Weg zurück (zu sekundär erworbener Entomophilie) kann man bei den Eriocaulales, einer vornehmlich auf der Südhemisphäre verbreiteten und mit 1200 Arten nicht gerade kleinen Ordnung, verfolgen.
Derzeit in Botanik online nicht behandelte Ordnungen: Eriocaulales, Restionales, Hydatellales; ihre Familien und Gattungen
BLÜTENDIAGRAMME:
oben: Carex (Cyperaceae) weibliche und männliche Blüte - darunter: Juncus (Juncaceae) - Poaceae
Commelinaceae | Joinvilleaceae | Cyperaceae | Typhaceae |
Eriocaulaceae | Juncaceae | Poaceae |
Den Commelinales gehören in vier Familen eine Vielzahl subtropischer und tropischer Arten an, von denen hier lediglich Tradescantia virginiana und Rhoeo discolor angesprochen werden. Die Staubfadenhaare von Tradescantia virginiana sind ideale Objekte zur Beobachtung einer Plasmaströmung und Objekte, an denen der Mitoseablauf ohne zusätzliche Hilfsmittel im Lichtmikroskop verfolgt werden kann. Die Epidermis der Blattunterseite von Rhoeo discolor wird wegen des hohen Anthocyangehalts in den Vakuolen oft als Demonstrationsobjekt der Plasmolyse herangezogen.
nach: The Angiosperm Phylogeny Group in Poales
Juncus effusus, var. spiralis.
Eine Mutante mit schraubig gewundenem Stengel
Den Juncales gehören zwei Familien an, von denen die eine ( Juncaceae, Binsengewächse) mit 300 Arten die bei weitem dominierende ist. Die Juncaceae sind ein- oder mehrjährige, stets krautige Pflanzen. Ihr Stengel ist, von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen, knotenlos, die Blätter ähneln entweder denen der Gräser (Luzula), oder sie sind stielrund, markhaltig und damit stengelähnlich (Juncus). Die Leitbündel vegetativer Organe enthalten Gefäße. Die allenfalls von einem trockenhäutigen, bräunlichen, doch unscheinbaren Perianth umgebenen Blüten sind zu Köpfchen, Dolden oder Spirren zusammengefaßt. Der Infloreszenztyp ist ein wichtiges Bestimmungsmerkmal der Arten. An der Basis der Blütenstände können ein oder mehrere Tragblätter (Hüllblätter) vorhanden sein. Die Blüten sind in der Regel anemophil, gelegentlich aber auch autogam. Die Chromosomen zeichnen sich durch diffuse Centromere aus, ihre Zahl ist daher variabel. Da die Organisation der Blüte (vom Perianth abgesehen) weitgehend der der Liliaceenblüte gleicht, nahm man zunächst an, die Juncaceae seien eine Seitenlinie der Liliaceae, von denen sie durch Erwerb der Anemophilie unterschieden sind. Dieser Ansicht widerspricht jedoch der unterschiedliche Bau der Leitbündel (Liliaceen haben in ihren vegetativen Organen keine Gefäße), die Organisation der Schließzellen und schließlich die unterschiedlichen Reservestoffe in den Samen. In vielem ähneln die Juncaceae den Cyperales; es ist daher eher die Frage berechtigt, warum letztere so viel erfolgreicher als die Juncaceae geworden sind.
Den Typhales gehören zwei kleine Familien, die Typhaceae (Rohrkolbengewächse) und die Sparganiaceae (Igelkolbengewächse) an. Es sind Sumpf- oder Wasserpflanzen mit ausgedehntem, kriechendem, stärkereichem Rhizom, lanzettlichen Blättern und eingeschlechtigen Blüten. Die Pflanzen sind monözisch. Bei den Typhaceae sind die weiblichen Blüten im unteren Teil, die männlichen im oberen Teil eines Kolbens vereint, bei den Sparganiaceen sind die Geschlechter auf verschiedene, kugeligsternförmig aussehende Köpfchen verteilt.
Heimische Vertreter: Typha (Rohrkolben) mit fünf Arten (weltweit: 10); Sparganium (Igelkolben) mit fünf Arten (weltweit 13).
Dieser Gruppe lassen sich zwei Großfamilien, Cyperaceae (4000 Arten) und Poaceae (8000 Arten), zuordnen. Viele Autoren erheben jede der Familien in den Rang einer Ordnung - und das vielleicht gar nicht zu Unrecht -, andere wiederum wählen Poales anstelle von Cyperales als Ordnungsname; auch das ist Ermessenssache.
Es gibt Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Familien. Sie produzieren wenig sekundäre Pflanzenstoffe, die Zellen enthalten Silikate; sie ähneln einander in der Leitbündel- und Blattstruktur. Die Blüten sind klein, unscheinbar und zu Infloreszenzen vereint. Windbestäubung ist vorherrschend, daneben kommen Autogamie und Apomixis vor. Die trockene Frucht (=Karyopse) enthält meist nur einen Samen, das Endosperm ist gut ausgebildet. Diese Art von Gemeinsamkeiten mögen nicht unbedingt überzeugend klingen und Grund für eine Zusammenlegung der Familien zu einer Ordnung sein. Gerade die genannten Merkmale unterliegen einem hohen Selektionsdruck und mögen daher eher als Adaptationen an bestimmte Habitate zu werten sein als als Anzeichen gemeinsamer phylogenetischer Herkunft.
Welches sind nun aber die nächsten Verwandten der Cyperaceae und Poaceae? Zweifelsohne sind die Juncaceae dazu zu rechnen, obwohl sie einen blind endenden Seitenzweig repräsentieren und nicht in direkter Abstammungsfolge zu den erstgenannten Familien stehen. Es zeichnet sich jedoch ab, daß sie den Restionales, einer wenig bekannten Commeliniden-Ordnung (mit 450 Arten im südlichen Teil der Tropen der Alten Welt vertreten) phylogenetisch nahestehen und daß sie und die Cyperales auf einen gemeinsamen Restionales-ähnlichen Vorfahren zurückzuführen sind.
Cyperaceae: Die Cyperaceae sind meist feuchte Standorte besiedelnde, ein- oder mehrjährige Kräuter mit dreikantigem, selten knotig gegliedertem Stengel. Die Blätter sind dreizählig gestellt, die Blattscheiden sind in der Regel geschlossen. Die Wurzeln sind, abgesehen von denen der Gattung Eleocharis, mit Wurzelhaaren besetzt und daher nicht mycotroph. Die Blüten sind zwittrig oder eingeschlechtig, stehen in Achseln trockenhäutiger Tragblätter (Spelzen), und sind zu ein- bis mehrblütigen Ährchen vereint. Diese wiederum sind zu Ähren, Köpfchen oder Spirren zusammengefaßt. Sofern ein Perigon vorhanden ist, sind die einzelnen Elemente (Sepalen?; Petalen?) zu Borsten oder Haaren reduziert. Die Zahl der Stamina beträgt drei, der Fruchtknoten ist oberständig und einfächrig; die Frucht ist eine Nuß. Die Cyperaceae sind weltweit verbreitet, wobei neben der schwerpunktmäßigen Verbreitung in feuchten Biotopen (der gemäßigten und arktischen Zone) das Vorkommen im Hochgebirge (weit oberhalb der Baumgrenze) hervorzuheben ist. Carices besiedeln dort oft auch noch Biotope, in denen die Gräser nicht mehr dominierend sind (Krummseggenmatten: Caricetum curvulae = Curvuletum).
Im Vergleich zu den Gräsern sind die Cyperaceae jedoch im allgemeinen weit weniger erfolgreich. Sie enthalten zwar halb so viele Arten wie jene, und gehören damit zu den größten Angiospermenfamilien, aber keine der Arten ist wirklich weit verbreitet und individuenreich. Sie bilden nur selten dichte monotypische (eine Art enthaltende) Rasen aus; meist stehen sie in relativ kleinen, individuenarmen Beständen zusammen, manche der Arten sind horst- und/oder bultenbildend. Möglicherweise ist ihre ökologische Spezialisierung (feuchte Standorte) ein Grund für ihre kleinräumige, mosaikartige Verbreitung.
Im Gegensatz zu den Gräsern, aber ähnlich wie die Juncaceae, besitzen sie Chromosomen mit diffusen Centromeren, folglich zeichnen sie sich durch die Fähigkeit zur Ausbildung von Aneuploidieserien aus.
Die artenreichste Gattung ist Carex (Segge) mit 1100 Arten. Ihre Blüten sind stets eingeschlechtig, und zu männlichen, weiblichen oder gemischtgechlechtigen Ähren vereint. Diese Organisation ist ein wichtiges Bestimmungsmerkmal und Ausgangspunkt für eine Untergliederung der Gattung in Untergattungen. Die weiblichen Blüten werden in der Regel als (einblütige) "Ährchen" bezeichnet. Der von einem verwachsenen Vorblatt umhüllte Fruchtknoten heißt Utriculus. Auch dessen Form ist ein bedeutendes Bestimmungsmerkmal. Die Hülle bleibt an reifen Samen erhalten.
Die nächst größere Gattung ist Cyperus, von der
Cyperus papyrus als Lieferant des
Papyrusrohstoffs, dem Papier der alten Ägypter, in die menschliche
Kulturgeschichte eingegangen ist. Scirpus (Simse) ähnelt in
seinen vegetativen Merkmalen und ökologischen Ansprüchen vielen
Juncaceen.
Eriophorum (Wollgras) hat zwittrige Blüten und ist während der Fruchtreife an langen, aus Perigonborsten hervorgehenden Wollhaaren (Flugorganen reifer Früchte) erkennbar.
Poaceae (= Gramineae): Die Poaceae (= Gramineae, =Glumiflorae; Gräser) sind zwar nicht die arten-, wohl aber die individuenreichste Pflanzenfamilie. Die Gräser bedecken 20 Prozent der Landoberfläche der Erde. Es sind Charakterpflanzen ausgedehnter Vegetationszonen (Steppe, Prärie, Savanne, Pußta) und lokaler Ökosysteme und Pflanzengesellschaften. Zu ihnen gehören die bedeutendsten Kulturpflanzen (Getreide: Weizen, Reis, Mais usw.) Die Entdeckung, daß ihre Samen für die menschliche Ernährung geeignet seien und die Pflanzen kultiviert werden können, war ein entscheidender Schritt in der menschlichen Kulturgeschichte. Seßhaftigkeit und die Entwicklung des städtischen Gemeinwesens setzten eine intensiv betriebene Landwirtschaft voraus.
So wichtig Getreide als Existenzgrundlage des Menschen ist, so klar muß gesagt werden, daß durch sie alleine nicht alle Ernährungsprobleme aus der Welt zu schaffen sind. Getreidekörner sind stärkereich, aber im Vergleich zum Stärkegehalt proteinarm. Stärkereiche Nahrung (z.B. Reis) führt zu einer Sättigung, bevor der Proteinbedarf des Menschen (speziell von Kleinkindern) gedeckt ist. Das entstehende Proteindefizit führt vor allem bei Kindern in Entwicklungsländern zu irreversiblen Entwicklungsstörungen. Das Krankheitsbild Kwashiorkor ist mit einem Namen belegt, der ins Deutsche übertragen so viel bedeutet, wie "eine Krankheit, die ein Kind erwirbt, sobald ein weiteres geboren wird"; dann nämlich wird ihm die proteinreiche Muttermilch entzogen.
Eine Ernährung mit geschältem (poliertem) Reis, so wie er in der abendländischen Küche erwünscht ist, führte in der ersten Hälfte des Jahrhunderts in Südostasien zu gravierenden Vitaminmangelerscheinungen (Beri-Beri).
Wegen der großen wirtschaftlichen Bedeutung sind viele Gramineen zu Versuchsobjekten der Grundlagenforschung geworden. Mit zahlreichen Einzelheiten haben wir uns bereits an anderer Stelle befaßt (Avena: Phytohormone, Phototropismus,; Triticum, Zea mays: Chromosomen, Genetik, Triticum (Weizenkeimlinge): zellfreies System der Proteinbiosynthese, Pflanzenkrankheiten.
Warum sind gerade die Gräser eine so erfolgreiche Pflanzenfamilie und wodurch unterscheidet sich ihr Erfolg von dem der Asteraceae?
Windbestäubung, hohe Individuenzahl und flächendeckende Ausbreitung fördern nicht gerade die Bildung neuer Arten. Diese erfolgt eher in Pflanzengruppen mit Insektenbestäubung, isolierten Verbreitungsgebieten und anderen Isolationsbarrieren. Das mag bereits der wesentliche Grund dafür sein, daß die Asteraceae (und die Orchidaceae) artenreicher, doch individuenärmer als die Poaceae sind. |
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Windbestäubung und weitgehende Wasserunabhängigkeit fördern die Besiedlung eines weiten Spektrums unterschiedlicher terrestrischer Lebensräume. Die unterschiedlichen Lebensbedingungen selektieren ihrerseits verschiedene Genotypen, fördern damit die Bildung neuer Arten. |
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Die Poaceae enthalten auffallend wenig sekundäre Pflanzenstoffe (etwas ätherische Öle, z.B. Cumarin, das frischem Heu seinen Duft verleiht). Die durch die krautige Wuchsform bedingte kurze Generationsdauer sichert den Erfolg gegenüber Holzpflanzen. Poaceae konnten daher in Lebensräume mit kurzer Vegetationsperiode vordringen, beispielsweise im Hochgebirge in die über der Waldgrenze liegende Zone (Almen). Die Photosynthese verläuft meist nach dem C3-Schema. Ein beträchtlicher Energieanteil wird zur Produktion endospermhaltiger Samen eingesetzt. Die erhalten damit gute Startbedingungen nach der Keimung. Wenige Vertreter (Zea mays, Saccharum officinarum u.a.) betreiben Photosynthese nach dem C4-Schema. Die investieren viel Biomasse in vegetativen Teilen (Blätter, saccharosehaltiger Stengel u.a.). |
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Die Blätter der Poaceae (und der Carex-Arten) enthalten an ihrer Basis interkalares Meristem. Sie sind daher gegenüber Verbiß oder andersartiger Zerstörung (Mähen eines Rasens, Brand, usw.) weniger anfällig als Arten mit nur apikalem Meristem. |
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Die Chromosomen sind sehr groß; die Lage des Centromers ist eindeutig. Polyploidisierung und Bastardbildung kommen oft vor. Apomixis und Kleistogamie fördern das Überleben neuer labiler Genkombinationen und damit die Artneubildung. |
Wichtige morphologische Merkmale: Der Stengel (=Halm) ist hohl (abgesehen von C4-Arten: Zea, Saccharum u.a.), deutlich in Nodien und Internodien untergliedert und an den Nodien verdickt. Die Blätter sind zweizeilig angeordnet, die Blattscheide ist meist offen, und zwischen ihr und der Blattspreite (Lamina) ist ein transparent erscheinendes Blatthäutchen, die Ligula, ausgebildet. Die Blüten sind fast immer zwittrig (Ausnahme z.B. Zea mays) und ohne Blütenhülle. Umgeben werden sie von trockenhäutigen Hochblättern (Spelzen). Stets sind die Blüten zu (wenigblütigen) Ährchen vereint, die ihrerseits meist von zwei weiteren Hüllspelzen umgeben sind. Man nennt diese die äußere und die innere Hüllspelze; im Unterschied hierzu heißen die Spelzen, die die Einzelblüten umgeben, Deckspelzen. Oft sind sie mit borstenförmigen Fortsätzen (Grannen) versehen. Die Ährchen sind (wie bei den Cyperaceae) zu Ähren oder Rispen zusammengefaßt. Man unterscheidet demnach Ähren- und Rispengräser. Hinzu kommen solche mit zusammengesetzten Infloreszenzen: Ährenrispengräser
© David T. WEBB - University of Hawaii at Manoa : Form & Function in Algae & Plants |
Beschreibung der Gräsergattungen im Delta - Format (in Englisch).
Das DELTA format (DEscription Language for TAxonomy)
ist eine flexible Sprache zur Codierung taxonomischer Beschreibungen für Computer Auswertungen. Sie wurde von der International Taxonomic Databases Working Group (TDWG) zum Standard für Datenaustausch erhoben. DELTA-Format Daten lassen sich für die Ausarbeitung normaler Texte heranziehen, sie passen sich interaktiven und konventionellen Verschlüsselungen an und eignen sich daher für kladistische und phänetische Klassifikationen sowie für Informationssuchsysteme.
Diese Systematisierung der Gräser wurde lange Zeit als Grundlage ihrer Zuordnung gesehen. Sie bewährte und bewährt sich zum Bestimmen der Arten, spiegelt aber nicht deren phylogenetische Verwandtschaft wider. Man ist daher bemüht, aufgrund histologischer Vergleiche, der Photosynthesemechanismen, der Chromosomenzahlen und der Embryonalentwicklung ein natürliches System zu erstellen.
Wie
bereits vermerkt, sind Gräser in den verschiedensten Lebensräumen
zu finden. Viele Arten sind mehrjährig (Stauden). Es ist darüber
spekuliert worden, wie alt und wie umfangreich das Wurzelwerk einer einzelnen
Pflanze sein kann. Es gibt begründete Schätzungen, die zum Beispiel
das Alter eines solchen Wurzelwerks von Festuca ovina in einer Größenordnung
von 1000 Jahren angeben. Verholzte Arten sind unter den Gräsern selten.
Die große Ausnahme sind die in Ostasien verbreiteten waldbildenden
Bambusarten. Eigentlich handelt es sich bei den "Wäldern"
auch nur um Rasen (wenngleich einzelne Arten bis zu 40 Meter hoch werden
können), denn es fehlt den "Bäumen" eine Untergliederung
in Stamm und Krone. Eine Verzweigung der Halme kommt allerdings bei einigen
Arten vor. Zahlreiche Gräser sind Charakterpflanzen einzelner
Pflanzengesellschaften.
Zur Illustration einige ausgewählte Beispiele aus der heimischen Flora:
Elymo-Ammophiletum: Eine Gesellschaft aus Strandhafer (Ammophila arenaria) und Strandroggen (Elymus arenarius) in Dünen an den Küsten der Nord- und Ostsee. Das ausgedehnte Wurzelwerk sichert die Stabilität der Düne (Schutz vor Verwehung). Vielfach werden Elymus und Ammophila im Zuge des Küstenschutzes gepflanzt. |
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Scirpo-Phragmitetum: Teichröhricht, Schilfgürtel. Scirpus lacustris (Teichsimse), Phragmitis australis (Schilf). Schilfgürtel sind typische, oft mehrere Kilometer breite Vegetationsformen entlang stehender oder langsam fließender Gewässer. Phragmitis australis ist die dominierende Art. Sie kann in Wassertiefen bis zu 120 Zentimetern gedeihen. |
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Lolio-Cynosuretum: Weidelgras-Weißklee-Weide. Lolium perennne (Weidelgras), Cynosurus cristatus (Kammgras). Dieser Weiden- oder Wiesentyp ist die häufigste Wirtschaftswiese im norddeutschen Tiefland sowie in Tälern des Hügellandes. Neben den genannten Gramineen gehören ihr eine Vielzahl anderer Arten an. |
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Arrhenatheretum elatioris: Glatthaferwiese. Arrhenatherum elatius (Glatthafer). Dieser ebenfalls sehr artenreiche Wiesentyp ist für Täler und niedere Hanglagen im Hügel- und Bergland Süddeutschlands charakteristisch. |
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Trisetetum flavescentis: Trisetum flavescens (Goldhafer). Goldhaferwiesen treten in höheren Berglagen, auf Hügeln und an Berghängen - oberhalb der Zone der Glatthaferwiesen - auf. Auch sie sind arten- und variantenreich. |
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Junco-Molinietum: Juncus (Binse), Molinia coerulea (Pfeifengras). Ein Wiesentyp saurer Böden; typische Pflanzengesellschaft auf Torfböden. |
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Xerobrometum: Bromus erectus (Aufrechte Trespe). Trockenrasen, vor allem auf südlich exponierten, kalkhaltigen Hängen. Er enthält wäremeliebende Arten. |
Außer den natürlichen Pflanzengesellschaften spielen Gräser in der Kulturlandschaft eine dominierende Rolle. Die dem Menschen Nahrung liefernden Kulturpflanzen gehören vornehmlich den folgenden Gattungen an: Triticum (Weizen), Oryza (Reis), Zea (Mais), Avena (Hafer), Saccharum (Zuckerrohr), Sorghum (Sago), Secale (Roggen), Hordeum (Gerste).
Einige Gräser sind weltweit verbreitete Pioniere, zum Beispiel Poa annua. Rasenbildende Arten werden als Zierrasen und/oder zum Schutz der Erdoberfläche vor Erosion gepflanzt. Eine wichtige Rolle spielen sie auch im Küstenschutz. Festuca rubra, Festuca ovina und zwei Puccinellia-Arten sind essentielle Bestandteile des Vorlandes und der Deiche (grüne Küstenlinie).
© Peter v. Sengbusch - b-online@botanik.uni-hamburg.de