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Scrophulariales


Die Scrophulariales ähneln den Laminales, sind jedoch viel weniger spezialisiert als jene. Der Fruchtknoten enthält auch keine falschen Scheidewände. Zu den Inhaltsstoffen gehören iridoide Verbindungen und das phenolische Glykosid Orobanchin. Saponine, Alkaloide, cyanogene Verbindungen und kondensierte Gerbstoffe sind nur selten anzutreffen. Ellagsäure und Proanthocyanine fehlen ganz. Es besteht eine starke Tendenz zur Ausbildung zygomorpher Blüten. Sie sind primär fünfzählig, doch findet man bei vielen Arten eine Reduktion zur Vierzähligkeit. Die Corolla ist typischerweise zweilippig, von den vier Stamina sind meist nur zwei fertil.

Es gibt viele Beispiele, anhand derer Reduktionsreihen oder die Zunahme der Zygomorphie nachvollzogen werden können: So hat beispielsweise Verbascum (Königskerze) nahezu radiärsymmetrische Blüten, bei Scrophularia (Braunwurz) sind sie stärker asymmetrisch, bei Digitalis (Fingerhut) und Antirrhinum (Löwenmäulchen) deutlich zygomorph, wobei aber zu vermerken ist, daß es gerade bei diesen Arten auch Mutanten mit terminal sitzenden radiärsymmetrischen Blüten gibt.

Bei einigen Arten der Gattungen Pedicularis (Läusekraut), Rhinanthus (Klappertopf), Euphrasia (Augentrost) oder Melampyrum (Wachtelweizen) sind die Blüten deutlich zweilippig. Verstärkt wird die Zygomorphie durch Ausstülpungen der Unterlippe und/oder Ausbildung eines Sporns, so bei Linaria (Leinkraut) und Antirrhinum (Löwenmäulchen). Wie schon dargelegt, ist Antirrhinum ein gut untersuchtes Objekt der klassischen Genetik. Der Wechsel von der Zygomorphie zur Radiärsymmetrie wird vom Zustand eines einzelnen Gens bestimmt. Darüber hinaus wurde Antirrhinum zum Studium der Variabilität von Blütenfarbstoffen genutzt. In den letzten Jahren wurde die Mitwirkung springender Gene an der Ausprägung von Farbmustern und der Differenzierung in die Organe der einzelnen Blütenkreise untersucht. Mehr zur Charakterisierung von Antirrhinum als Pflanze und Versuchsobjekt unter

http://www.mpiz-koeln.mpg.de/~stueber/snapdragon/snapdragon.html.

Eine Vierzähligkeit der Blütenkrone - und nur zwei Stamina - findet man bei Veronica (Ehrenpreis).

Die 11 000 Arten der Scrophulariales können 10 Familien zugeordnet werden, 75 Prozent der Arten gehören drei besonders artenreichen Familien an:

Scrophulariaceae (4000 Arten)
Acanthaceae (2500 Arten)
Gesneriaceae (2500 Arten).

Einige der kleineren Familien sind durch besondere Anpassungen gekennzeichnet. So sind zum Beispiel die Orobanchaceae obligate Parasiten, die Lentibulariaceae sind insektivor und zum Teil an aquatische Lebensweise adaptiert, die Pedaliaceae haben auffallende Früchte, die an zoochore Verbreitung angepaßt sind.

Von den Solanales unterscheiden sich die Scrophulariales, wie bereits erwähnt, durch den Bau ihrer Blüten, ihre Inhaltsstoffe und dem Fehlen bikollateraler Leitbündel.

Oleaceae: Die Oleaceae oder Ölbaumgewächse sind Bäume und Sträucher mit meist gegenständigen Blättern und vier- bis zwölfzähligen Blüten; gelegentlich sind sie apetal. Der Fruchtknoten ist zweifächrig, in jedem Fache ein bis zwei, selten mehr Samenanlagen. Die Frucht ist eine Steinfrucht, Beere, Kapsel oder Schließfrucht. Mannitol und iridoide Verbindungen sind die wichtigsten Inhaltsstoffe. Als häufigste Arten, von denen manche als frühblühende Ziersträucher (oder Nutzpflanzen) bekannt sind, seien genannt:

Forsythia suspensa (Forsythie)
Jasminum nudiflorum (Echter Jasmin)
Syringa vulgaris (Gemeiner Flieder)
Ligustrum vulgare (Liguster).
Fraxinus excelsior (Esche) ist ein Beispiel für Apetalie (fehlende Blütenkrone) - bei gleichzeitiger Anemophilie.
Olea europaea (Ölbaum)

Der Ölbaum ist eine der ältesten Kulurpflanzen des Mittelmeerraums, genutzt werden vornehmlich seine Früchte (Oliven) und das daraus gewonnene Öl.



Olea europaea: Eine jahrhunderte alte Plantage auf Kreta. Die Bäume (im zweiten Bild) entstanden aus Seitentrieben eines einst im Zentrum dieser Gruppe stehenden Baums.

Blütenstände - Zur Ernte der Oliven werden Netze unter den Bäumen ausgebreitet. Unbearbeitet sind Oliven "frisch vom Baum" ungenießbar, sie sind voller Bitterstoffe



Gelegentlich werden die Oleaceae zu den Gentianales gestellt, doch aufgrund embryologischer Merkmale und des Fehlens bikollateraler Leitbündel scheint diese Zuordnung fragwürdig zu sein. Der gravierendste Einwand gegen ihre Zuordnung zu den Scrophulariales wird in der Regelmäßigkeit ihrer vierzähligen Corolla gesehen. Serologische Befunde (J. E. PIECHURA und D. E. FAIRBROTHERS, 1979) weisen darauf hin, daß sie von den übrigen Ordnungen der Scrophulariales gleich weit wie von den Gentianales entfernt sind. Es sieht demnach so aus, als käme ihnen eine Brückenstellung zwischen beiden Ordnungen zu.


BLÜTENDIAGRAMM:
Verbascum nigrum
(Scrophulariaceae)

© S. LIEDE

Scrophulariaceae: Die wesentlichen Merkmale der Scrophulariaceae wurden bereits genannt, denn die meisten von ihnen sind nicht allein für die Familie, sondern für die ganze Ordnung bezeichnend. Mit anderen Worten: Die Scrophulariaceae sind die am wenigsten spezialisierte Familie der Scrophulariales. Einige der Arten sind Halbparasiten, die auf Wurzeln anderer Pflanzen (meist auf Gräsern) wachsen (z.B. Scrophularia), selten sind es obligate Parasiten (z.B. Harreya).

Der meist hohe Gehalt an Orobanchin und iridoiden Verbindungen führt zu einer Schwarzfärbung der Blätter nach dem Trocknen. Digitalis-Arten enthalten herzwirksame Glykoside (Digitalis-Glykoside), die als wirkungsvollste Medikamente gegen Herzinsuffizienz eingesetzt werden. Die Blüten sind meist zu verschiedenartigen Infloreszenzen vereint, selten stehen sie einzeln.

Scrophularia-Blüten sind dichogam, d.h., es besteht eine zeitliche Trennung der Reifung von Gynoeceum und Androeceum. In diesem Fall wird das Gynoeceum früher reif als die Antheren; Fremdbefruchtung wird damit gesichert. Scrophularia wird von Wespen bestäubt, Verbascum und Veronica vornehmlich durch Bienen.

Die Früchte sind meist Kapseln, selten Beeren. Die Familie ist weltweit verbreitet, die Verbreitungszentren sind die gemäßigten Zonen und die Bergregionen der Tropen. Dominierende Gattungen sind Pedicularis (Läusekraut), Verbascum (Königskerze), Veronica (Ehrenpreis), Penstemon (Hornist): Abbildungen nordamerikanischer Arten, Linaria (Leinkraut), Scrophularia (Braunwurz), Antirrhinum (Löwenmäulchen) und Digitalis (Fingerhut).


Abbildungen aus: O. W. THOMÉ, - Flora von Deutschland, Österreich und der Schweiz (1885 - 1905)
digitale Bearbeitung und © Kurt Stüber MPI für Züchtungsforschung.- Kurt Stübers online library of historic biological books


Globulariaceae: Die Globulariaceae oder Kugelblumengewächse sind eine kleine Familie, deren Verbreitung auf Europa, Nordafrika und Kleinasien beschränkt ist. Drei Globularia-Arten kommen (auf Kalk) in Süddeutschland, speziell in den Alpen vor. Nebenstehend: Globularia cordifolia.

Orobanchaceae: Die Sommerwurzgewächse sind chlorophyllfreie, ein- oder mehrjährige Parasiten mit oft hoher Wirtspezifität. Mit Haustorien dringen sie in die Wurzeln der Wirtspflanzen ein. Die oft großen und auffallenden Blüten stehen in Ähren oder Trauben in den Achseln schuppenförmiger Tragblätter. Die Orobanchaceae sind zweifelsohne von den Scrophulariaceae ableitbar. Auch bei ihnen wurde der Weg von Autotrophie über Halbparasiten zu Parasiten beschritten. Von der Scrophulariaceengattung Harreya unterscheiden sie sich durch eine starke Reduktion des Embryos. Ihnen fehlen die Kotyledonen, der undifferenzierte Embryo ist in ölhaltiges Endosperm eingebettet.

Einige Beispiele für Parasit-Wirt-Spezifitäten:

Orobanche ramosa auf Hanf und Tabak
Orobanche arenaria auf Artemisia campestris
Orobanche coerulescens auf Artemisia campestris
Orobanche loricata auf Artemisia campestris
Orobanche purpurea auf Achillea millefolium
Orobanche gracilis auf verschiedenen Leguminosen
Orobanche vulgaris auf Galium und Asperula
Orobanche salviae auf Salvia glutinosa
Orobanche lucorum auf Berberis vulgaris


Wie die Aufzählung zeigt, findet man unter den Wirtspflanzen Vertreter verschiedener Familien, Kräuter ebenso wie Holzpflanzen.

Gesneriaceae: Obwohl die Gesneriaceae eine große pantropische Familie sind, sind bei uns nur wenige Arten bekannt. Von daher wäre allenfalls Saintpaulia ionantha, das Usambaraveilchen (Heimat Ostafrika) zu erwähnen. Die übrigen Arten sind Kräuter, Sträucher, selten kleine Bäume, sowie Lianen und oft Epiphyten. Bei Streptocarpus entwickeln sich die Kotyledonen durch interkalares Wachstum zu persistierenden, blütentragenden Organen.

Es wird wohl nicht zu Unrecht die Meinung vertreten, die Gesneriaceae würden die Scrophulariaceae in den Tropen vertreten. Ihre Blüten sind auf vielfache Weise an ihre Bestäuber adaptiert. Ornithophilie ist vor allem bei Arten der Neotropis häufig. Typisch ornithophile Blüten sind zweilippig und rot. Andere Arten sind an Bestäubung durch Fledermäuse, Bienen oder Schmetterlinge angepaßt.

Acanthaceae: Wieder eine große, nur in den Subtropen und Tropen verbreitete Familie. Fast alle Arten sind Sträucher. Acanthus ilicifolius ist ein Mangrovestrauch. Das Laubwerk der im Mittelmeerraum verbreiteten Acanthus longifolius war Vorbild für das Muster der Kapitelle korinthischer Säulen. Thunbergia-Arten werden werden in Gärten tropischer und subtropischer Regionen kultiviert.

Die Samen der Acanthaceae sind stets endospermhaltig, die Embryonen außerordentlich groß. Der Blütenbau stimmt weitgehend mit dem der Scrophulariaceae überein. Die Abgrenzung zu ihnen ist wegen zahlreicher Übergänge schwierig.

Pedaliaceae: Die ölhaltigen Samen der im tropischen Asien kultivierten Art Sesamum indicum sind als Sesam bekannt. Sie Samen vieler Pedaliaceenarten, so z.B. von Harpogophytum und Dicerocaryum werden exozoochor verbreitet. Es sind "Trampelkletten", deren verholzte Fruchtwand mit Stacheln und Widerhaken versehen ist, die sich in die weichen Teile der Hufe von Säugern einbohren können und somit verbreitet werden.


Dicerocaryum senecioides: Trampelkletten (Struktur wie Möbelnägel), exochore Verbreitung. Hier eine moderne Methode der Verbreitung durch Mitnahme am Reifen eines Expeditionsfahrzeugs - Sesamum spec:Blüte.

 

Dicerocaryum senecioides) - Makroaufnahmen, aufgenommen mit Color View Digitalcamera, bearbeitet mit Analysis (Soft Imaging System, Corp.) - Aufn.: A. ANDRES, Institut für Angewandte Botanik, Universität Hamburg


Bignoniaceae: Spathodea campanulata (Tulpenbaum) wird wegen seiner auffallend großen, trichterförmigen Blüten in den Tropen als Zierbaum gepflanzt. Auch die Jacaranda-Bäume sind charakteristische Straßenbäume vieler tropischer und subtropischer Städte. Zwischen der Gattung Catalpa und etlichen Scrophulariaceen besteht eine engere serologische Verwandtschaft als zwischen Catalpa und den übrigen (untersuchten) Bignoniaceae (J. E. PIECHURA und D. E. FAIRBROTHERS, 1979). Aufgrund morphologischer Merkmale kann ihr jedoch eine Brükkenstellung zwischen den beiden Familien eingeräumt werden.

Ein markanter Baum im südlichen Afrika ist der Leberwurstbaum (Kigelia africana).

Lentibulariaceae: Zu den Lentibulariaceen oder Wasserschlauchgewächsen gehören zwei auffallende Gattungen der heimischen Flora: Pinguicula (Fettkraut) und Utricularia (Wasserschlauch). Die Blätter stehen im Dienst des Insektenfangs. Die Blüten stehen einzeln oder in Trauben, die Blütenkrone ist zweilippig und meist gespornt. Der Schlund ist jedoch oft durch eine Ausstülpung der Unterlippe verschlossen. Pinguicula-Arten sind Landpflanzen mit ungeteilten, rosettigen, am Rande nach oben umgerollten Blättern.

Utricularia-Arten leben submers, ihre fein zerteilten Blätter sind meist mit tierfangenden Blasen besetzt. Die gelben Blüten stehen in langgestielten Trauben; Wurzeln fehlen, einige Arten sind durch sogenannte Erdsprosse (chorophyllfreie Sprosse) im Boden verankert (z.B. Utricularia minor), andere sind obligate Schwimmpflanzen (z.B. Utricularia vulgaris). Phloem und Xylem sind vielfach nur rudimentär angelegt und nicht zu gemeinsamen Strängen vereint. Von den Scrophulariaceae unterscheiden sich die Lentibulariaceae vornehmlich durch ihr insektivores Verhalten und die Placentation der Samenanlage (hier frei zentral; bei Scrophulariaceen axil).


© Peter v. Sengbusch - b-online@botanik.uni-hamburg.de