Die Angiospermen (Bedecktsamer) sind das bekannteste und bestuntersuchte Taxon des Pflanzenreichs. Der sicherste Beleg für einen monophyletischen Ursprung dieser Gruppe ist der einheitliche Bau des Embryosacks und, damit zusammenhängend, ein spezieller Befruchtungsmodus, die doppelte Befruchtung. Den Angiospermen gehören zwei unterschiedlich große, aber relativ klar voneinander abgegrenzte Klassen an: die Dikotyledonen oder Magnoliopsida und die Monokotyledonen oder Liliopsida.
Die ersten fossilen Funde stammen vom Ende der Unteren Kreide, sie sind also etwa 130 Millionen Jahre alt. Bedauerlicherweise sind, außer Blattresten, Stengel- und Holzresten sowie Pollen, nur wenige Fossilien erhalten.
Das gilt insbesondere für Blüten, denn die Evolution dieser Pflanzengruppe versteht sich im wesentlichen als die Evolution der Blüte und der gegenseitigen Anpassung von Blüten und ihren Bestäubern (meist Insekten). Pollen sind den Mikrosporen der heterosporen Farne (vor allem der Samenfarne) homolog, deren Oberflächenskulptur bereits zahlreiche pollentypische Merkmale aufweist. Die wichtigsten Angiospermenmerkmale wurden bereits in mehreren vorangegangenen Kapiteln behandelt. Als Zusammenfassung kann die folgende Liste dienen (nach O. ROHWEDER und P. K. ENDRESS, 1983):
- Neben holzigen kommen krautige Arten vor.
Das Leitgewebe ist stärker differenziert als bei den Gymnospermen und Pteridospermen. Neben Tracheiden kommen (meist) auch Tracheen vor. Deren Seitenwände sind mit leiterförmigen Tüpfeln oder kleinen (nicht großen !) Hoftüpfeln besetzt. Die Siebröhren sind mit Geleitzellen assoziiert.
Die Laubblätter sind stärker differenziert als die der Gymnospermen. Sie sind in Blattspreite, Stiel und Blattgrund mit oder ohne Nebenblätter unterteilt. Die Nervatur ist nicht dichotom, sondern fiedernervig oder parallelnervig.
- Der Vegetationspunkt ist in Tunika und Corpus untergliedert. Die Tunika ist meist mehrschichtig.
Starke Differenzierung der Blüten im Zusammenhang mit der Pollenübertragung durch Bestäuber. Die Blüten sind meist zwittrig und oft nektarsezernierend. Die Blütenhülle besteht aus einem Kelch als Hüllorgan sowie einer Krone als "Schauapparat" (optische Attraktion für Bestäuber). Die Samenanlagen sind von Fruchtblättern (Karpellen) umschlossen, sie sind damit vor Freßfeinden, zu denen auch viele Bestäuber zu zählen sind, geschützt (die ursprünglichen Bestäuber waren vermutlich Käfer, die sich von Blütenteilen ernährten). Die Gesamtheit der Karpelle wird als Gynoeceum bezeichnet. Es kann aus einem oder mehreren Karpellen bestehen, diese können frei oder verwachsen sein. Ein Stempel wiederum ist in Fruchtknoten, in Griffel und Narbe untergliedert. Der Fruchtknoten enthält die Samenanlage; die Narbe ist ein Organ zum Auffangen des Pollens, sie ermöglicht ihm zudem die Keimung. Der Griffel enthält ein Pollenleitgewebe, durch das die Pollenschläuche (gekeimte Pollenkörner) die im Fruchtknoten eingeschlossenen Eizellen erreichen.
Die Staubblätter (Stamina) gliedern sich in Filament und Anthere, eine Anthere wiederum enthält zwei durch ein Konnektiv verbundene Theken. Jede Theka enthält zwei Pollensäcke.
- Die Exine der Pollenkörner ist tectat-columellat. Die Samenanlagen sind bei den ursprünglicheren Formen mit zwei Integumenten versehen.
Die Gametophyten sind noch stärker reduziert als bei den Gymnospermen. Der Mikrogametophyt ist nur dreizellig. Der Megagametophyt (Embryosack) ist meist siebenzellig (achtkernig). Es gibt keine Archegonien.
- Meist ist der Embryo von Anfang an zellulär (nicht nukleär).
- Es gibt ein sekundäres Endosperm, das im Zusammenhang mit einer doppelten Befruchtung entsteht; meist ist es triploid.
Es besteht weitgehend Klarheit darüber, wie eine Art abzugrenzen ist; es ist meist auch nicht schwierig, sie einer Gattung und Familie zuzuordnen. Problematischer ist die Einordnung in Taxa höheren Ranges. Bereits im letzten Jahrhundert schlug A. ENGLER aufgrund von Unterschieden im Blütenbau die folgende Einteilung der Dikotyledonen in Untergruppen vor:
Jeder dieser Untergruppen wurde eine Reihe von Ordnungen zugewiesen, die sich weitgehend mit denen decken, die auch heute noch geläufig sind und in den folgenden Kapiteln behandelt werden. 1966 haben A. CRONQUIST (New York), A. TAKHTAJAN (St. Petersburg) und W. ZIMMERMANN (Tübingen) eine Neugliederung der Angiospermen vorgeschlagen. Die Angiospermen wurden Magnoliophyta genannt, demnach würden sie eine Abteilung repräsentieren. Heutzutage ist man wieder davon abgekommen und stuft sie als eine Unterabteilung (Magnoliophytina) der Samenpflanzen (Spermatophyta) ein. Ihr gehören die beiden Klassen Dikotyledonen (= Magnoliopsida) und Monokotyledonen (Liliopsida) an. Die Dikotyledonen wiederum lassen sich in sechs Unterklassen, die Monokotyledonen in fünf Unterklassen unterteilen. Ein entscheidendes Kriterium zur Untergliederung der Dikotyledonen ist der Bau des Androeceums; mit anderen Worten: die Zahl und Anordnung der Stamina in der Blüte.
Bei den Magnoliidae sind sie vielfach spiralig (schraubig) angeordnet, bei den Dilleniidae und den Rosidae stehen sie (meist) in Gruppen oder einem oder zwei Wirteln. Doch nur selten ist die Gruppenanordnung in fertigen Blüten so deutlich erkennbar, wie bei ausgewählten Beispielen.
Man ist daher darauf angewiesen, die Entwicklung der Staminaanlagen im Verlauf der Ontogenese zu verfolgen. Nur dann wird verständlich, daß bei manchen Dilleniidae und Rosidae zunächst nur wenige Stamenanlagen gebildet werden und daß im Verlauf der weiteren Entwicklung eine Spaltung der primären Anlagen eintritt. Diese zusätzlichen Anlagen erscheinen bei den Dilleniidae an der Außenseite der primären Anlagen. Man spricht deshalb von einer zentrifugalen Entwicklungsrichtung der Stamina. Bei den Rosidae liegen die Verhältnisse genau umgekehrt. Hier entstehen neue Anlagen an der Innenseite der zuerst angelegten, daher die Bezeichnung zentripetale Entstehung. Die zentrifugale und die zentripetale Anordnung sind vermutlich Parallelentwicklungen, die schraubige eine ursprüngliche.
Das in den folgenden Themen beschriebene System basiert auf der Gliederung von A. CRONQUIST (1981: "An integrated system of classification of flowering plants"). Wie jede andere, so ist auch diese nicht unumstritten.
Es hat schon immer sogenannte problematische Taxa (Arten, Familien) gegeben, die in kein Taxon höheren Ranges paßten. R. DAHLGREN teilt die Angiospermen daher in eine Vielzahl von Gruppen (etwa in der Kategorie zwischen Ordnung und Unterklasse) ein. F. EHRENDORFER (1983) und D. FROHNE und U. JENSEN (1985) untergliedern die Asteridae ("im weiteren Sinne", senso lato [s.l.]) in neue Gruppen: Asteridae ("im engeren Sinne": senso stricto [s.str.] und Lamiidae. Die Lamiidae entsprechen weitgehend der ENGLERschen Ordnung der Tubiflorae, und die Asteridae (s. str.) der der Synandrae. Zu den Cornidae fassen FROHNE und JENSEN einige Ordnungen zusammen, die im CRONQUISTschen System auf die Rosidae, Dilleniidae und die Asteridae verteilt sind (mehr dazu im Thema Asteridae).
Die ganze Basis der Angiospermen kann mit einer "black box" verglichen werden. Vom Standpunkt eines Genetikers aus bedeutet das, daß die Gene für die Mehrzahl der Angiospermenmerkmale bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt vorhanden sein mußten und daß sich in den einzelnen Zweigen lediglich unterschiedliche Genkombinationen angereichert haben, die - vermutlich durch Chromosomenumbauten und andere Genomumstrukturierungen - in unterschiedlicher Weise neu kombiniert worden sind. Unser Wissen über die Angiospermenevolution gleicht somit einer Situation, vor der ein Schachspieler steht - wenn ihm eine Figurenkonstellation in der Mitte einer Partie gezeigt wird -, der die Regeln natürlich genau kennt, der aber nicht in der Lage ist, zurückzuextrapolieren und anzugeben, wie die gegebene Konstellation zustande gekommen ist.
Das obengenannte Schema suggeriert, daß es neben den dargestellten "dicken Zweigen" auch einen "Stockausschlag" geben muß, also "dünne", von der Basis ausgehende Zweige, die die gar nicht oder nur schwer einzuordnenden Familien, Gattungen oder Arten repräsentieren würden.
Seit der Konzeption von Botanik online hat sich auch im Bereich der Taxonomie und der Zuordnung von Familien zu übergeordneten Taxa eine Menge getan. In den letzten Jahren erschienen mehrere - nicht immer übereinstimmende - Vorschläge zu diesem Thema. Ein hoher Stellenwert wird mittlerweile den Sequenzanalysen an der schweren Untereinheit der Ribulose-1,5-Bisphosphat Carboxylase und der ribosomalen RNS beigemessen. Auf diesen und traditionell taxonomischen Kriterien beruhend sind neue Systeme vorgestellt worden, die in den nachfolgend integrierten Beiträgen abgehandelt werden.
Nomenklaturpropleme werden bis in alle Details mit www-Quellenangaben von James L. REVEAL in: Plant Taxonomy - PBIO 250 Lecture Notesbehandelt, wobei er sich ausführlich mit den Richtlinien des International code of botanical nomenclature auseinandersetzt und die bekannten Systeme der Gefäßpflanzenklassifikation ( Cronquist, Dahlgren Reveal Takhtajan und Thorne) dokumentiert
Unter Einbeziehung molekularbiologischer Daten wurde von der Angiosperm Phylogeny Group eine Neugruppierung der Angiospermen vorgeschlagen, bei der das Unterklassensystem aufgehoben wurde und neue Gruppierungen oberhalb der Ordnungen vorgeschlagen wurden. Eine Anzahl von Familien wurde - da z. Zt. phylogenetisch nicht begründbar - keiner Ordnung zugestellt. Diese Gruppierung wurde 1998 in den Ann. Missouri Bot. Gard. 85, 531-553 publiziert.
Das phylogenetische Schema wurde von uns in eine elektronische Version umgearbeitet worden. Eine Kopie davon wurde zu einem Inhaltsverzeichnis (anklickbare map) der in Botanik online beschriebenen Taxa umgeschrieben (CRONQUIST System).
© Peter v. Sengbusch - b-online@botanik.uni-hamburg.de