Die Violales umfassen 24 auf den ersten Blick sehr verschieden aussehende Familien. Die meisten der hierher gehörenden Familien faßte man früher als Parietales zusammen, weil sie sich durch eine parietale Anordnung ihrer Samenanlagen auszeichnen. Sie besitzen darüber hinaus meist freie Kronblätter sowie einen gelegentlich unecht gefächerten Fruchtknoten. Die Blüten sind in der Regel zwittrig und meist radiärsymmetrisch, doch unter den namensgebenden Violaceae (Veilchen) sind viele zygomorph gebaut. Die Zahl der Karpelle beträgt üblicherweise drei. Der Pollen ist bi- oder multiaperturat oder tricolporat.
Die wohl primitivste Violales-Familie sind die Flacourtiaceae. Als primitiv werden in dieser Ordnung folgende Merkmale angesehen: Bäume mit wechselständigen, mit Stipeln versehenen Blättern; zwittrige, polypetale Blüten; zahlreiche, zentrifugal angeordnete Stamina; zusammengesetzter, oberständiger Fruchtknoten mit parietaler Placentation, und Samen mit gut ausgebildetem Endosperm. Als abgeleitet gilt: mittelständiger Fruchtknoten; Reduktion der Zahl der Stamina; Fusion von Filamenten; Entwicklung einer Corona (Nebenkrone), Reduktion der Zahl der Karpelle (drei), und Reduktion des Endospermanteils.
Jede dieser Tendenzen kann bereits bei den Flacourtiaceae festgestellt werden. Die übrigen Familien unterscheiden sich von diesen durch die stärkere Betonung einzelner dieser Evolutionstrends. Den Violales gehören 5000 Arten an, 80 Prozent davon zu fünf der 24 Familien:
Begoniaceae (1000 Arten)
Flacourtiaceae (800 Arten)
Violaceae (800 Arten)
Cucurbitaceae (700 Arten)
Passifloraceae (650 Arten)
Cistaceae: Die mit auffallenden Blüten bestückten Cistus-Arten (Cistrosen) sind Charakterpflanzen der Macchie und der Garigues des Mittelmeerraums. Helianthemum-Arten (Sonnenröschen) sind Vertreter der süddeutschen Flora. Sie kommen bevorzugt an steinigen, sonnigen Abhängen vor.
Bixaceae: Von den Cistaceen unterscheiden sich die Bixaceen durch ein zweiblättriges Gynoeceum und eine zweiklappig aufspringende Fruchtkapsel. Bixa orellana aus Südamerika wird heute überall in den Tropen kultiviert. Die Samen besitzen eine fleischige Außenschicht, die einen roten Farbstoff (Annatto, Arnatto oder Orllean) liefert. Da er auch zum Färben von Fingernägeln verwendet wird, nennt man die Pflanze auch Finger nail plant. Die equadorianischen Indianer des Stamms der Tsachilas färben damit auch ihr Haar.
Violaceae: Violaceae sind, soweit wir sie in unseren Breiten kennen, Kräuter; doch kommen, vornehmlich in den Tropen, Sträucher, kleine Bäume und Lianen vor, die Blätter vieler Arten sind alkaloidhaltig oder mit harzhaltigen Zellen durchsetzt.
Viola lutea aus dem Aostatal
Gelegentlich sind die Blüten kleistogam, d.h. sie bleiben geschlossen, so daß Fremdbefruchtung verhindert wird. In verschiedenen Gattungen, vornehmlich bei Viola (Veilchen), sind sie zygomorph gebaut. In diesen Fällen ist das unterste Kronblatt zu einem langen, nach hinten gerichteten Sporn umgewandelt. Am Grunde solcher Sporne sammelt sich Nektar. Spornbildung, vielfach zusammen mit der Ausprägung speziell gefärbter Blütenmale ist eine Anpassung an Bestäubung durch Bienen und andere rüsseltragende Insekten.
Die optimale Anpassung an Fremdbefruchtung und die Kleistogamie scheinen im Widerspruch zueinander zu stehen. Vermerkt sei daher, daß Kleistogamie vorwiegend bei kleinblütigen, einjährigen Arten in Erscheinung tritt. Selbst bei diesen werden zunächst offene Blüten angelegt (Chasmogamie), und erst die spät angelegten sind kleistogam (Risikominderung bei Ausbleiben der Fremdbestäubung).
Die Violaceae sind Kosmopoliten. Die artenreichste Gattung (Viola) hat ihren Verbreitungsschwerpunkt in der nördlichen gemäßigten Zone und in den Gebirgen der Tropen. Die ebenfalls artenreiche Gattung Rinorea kommt in tropischen Regenwäldern vor.
Caricaceae: Carica papaya (Melonenbaum) produziert große, saftige und wohlschmeckende Früchte (Papayas). Molekularbiologen und Biochemiker schätzen sie als Quelle des proteolytischen Enzyms Papain.
Verbreitet sind die Caricaceen vornehmlich im tropischen und subtropischen Amerika sowie an der afrikanischen Westküste. Dieses Verbreitungsmuster läßt darauf schließen, daß die Familie unmittelbar vor der Trennung Afrikas von Amerika entstanden ist. Die Blüten öffnen sich nachts und werden von Schwärmern bestäubt. Da sie sich aber nicht wieder schließen, werden sie tagsüber auch von Kolibris, Schmetterlingen und großen Bienen besucht.
Cucurbitaceae: Die Cucurbitaceae (Kürbisgewächse) sind wegen ihrer saftigen, außergewöhnlich großen Früchte bekannt. Kürbis (Cucurbita pepo), Gurke (Cucumis sativus), Wassermelone (Citrullus lanatus) und der Flaschenkürbis (Kalebasse: Lagenaria siceraria) wären hier zu nennen. Von Kultursorten abgesehen, enthalten die Früchte oft große Mengen an bitterschmekkenden Triterpenverbindungen. Calciumoxalat und Gerbstoffe fehlen, statt dessen wird Calciumcarbonat gespeichert. Die Familie ist in den Tropen und Subtropen verbreitet, nur wenige Vertreter kommen in der gemäßigten Zone vor. Ein Grund hierfür mag in der außergewöhnlichen Frostempfindlichkeit der vegetativen Teile liegen. Wie schon den Römern bekannt war, vertragen Gurken- und Kürbispflanzungen keinen Spätfrost. |
Die Cucurbitaceae sind fast ausnahmslos Rankenpflanzen, die sich entweder an senkrechten Stützen emporwinden oder sich flächig auf dem Boden ausbreiten. Die Ranken können als Seitenorgane des Hauptsprosses angesehen werden, von denen pro Knoten eine gegenständig zu einem Blatt angelegt wird. Die Blätter sind meist deutlich gelappt, oft mit Nektarien besetzt. Die Blüten stehen achselständig, sind meist eingeschlechtig und nicht besonders groß. Die Sepalen und Petalen sind vielfach am Grunde verwachsen.
Teilnehmern mikroskopisch-botanischer Anfängerpraktika ist bekannt, daß die Leitbündel bikollateral gebaut sind, Genetiker wissen, daß C. CORRENS an Bryonia einen Mechanismus der Geschlechtsvererbung aufgeklärt hat, und Pflanzenphysiologen haben sich mit den Ursachen der Spritzbewegungen von Ecballium auseinandergesetzt. Zu den weiteren markanten Vertretern der Cucurbitaceen gehören die in afrikanischen und asiatischen Wüsten vorkommenden Koloquinten (Colocynthis vulgaris) und die in der Namib vorkommende Nara (Acanthosicyos horrida).
Die systematische Stellung der Cucurbitaceae ist umstritten. Manches spricht dafür, sie in die Nähe der Passifloraceae zu stellen, doch auch zu den Begoniaceae u.a. bestehen vielleicht Affinitäten. Nicht selten werden sie als selbständige Ordnung geführt.
Begoniaceae: Die Begonien sind meist dickfleischige, perennierende Kräuter, deren Blätter, Stiele und Blüten mit zahlreichen Drüsenhaaren besetzt sind. Wegen ihrer dekorativen Blüten werden verschiedene Begonia-Arten als Garten- und/oder Topfpflanzen gezogen. Die Gattung umfaßt etwa 1000, fast ausschließlich tropische Arten. Auch die systematische Stellung der Begoniaceae ist umstritten.
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