Die oberirdischen Sprosse der meisten Arten sind in der Regel ausreichend stabil, um sich aufrecht halten zu können. Einige Arten hingegen besitzen Sproßachsen, die unter der Last der von ihnen getragenen Organe abknicken würden. Sie können daher nur dann aufrecht wachsen, wenn sie sich um senkrecht oder nahezu senkrecht stehende Stützen winden (Schlingpflanzen). Daneben gibt es Arten, die speziell ausgebildete Organe (Ranken) besitzen, die sich sowohl um senkrecht als auch um waagerecht orientierte Stützen winden können. Ferner gibt es Arten mit spezialisierten Haftorganen (Haftscheiben), mit deren Hilfe sie sich an Unterlagen unterschiedlicher Orientierung ansaugen. Schließlich kennt man eine weitere Gruppe, die Haken ausbildet, mit denen sie an Stützen unterschiedlichster Art hängenbleibt (Beispiel: Brombeere Rubus fruticosus).
Abweichend vom alltäglichen Sprachgebrauch, der häufig lange Sprosse - wie etwa die des Efeus - als Ranken bezeichnet, versteht man in der Botanik unter diesem Ausdruck dünne, lange, fadenförmige Organe, die sich, wenn sie ausdifferenziert sind, durch einen sehr hohen Grad an Reizbarkeit für Berührung und Reibung an festen Körpern auszeichnen. Durch diese Eigenschaft sind sie prädestiniert, einen dünnen Stab, den Stengel oder Halm einer anderen Pflanze, die Zweige eines holzigen Strauches usw., fest zu umwickeln.
Zu den charakteristischen Rankenpflanzen zählt man die Cucurbitaceen, (z.B. Bryonia dioica), die Passifloraceae, Vitis vinifera und deren Verwandte, viele Leguminosen (Pisum sativum, viele Vicia-Arten) usw.
Die Ranken der einzelnen Arten oder Pflanzengruppen gehen aus unterschiedlichen Anlagen hervor, so daß sie nicht homologisiert werden können. Es sind abgewandelte Sprosse (z.B. bei Vitis), abgewandelte Blätter (Pisum), Blattfieder (Vicia, Lathyrus), Blattstiele (Clematis) oder Teile sproßbürtiger Wurzeln (Vanilla) . Bei Vitis vinifera und Bryonia dioica beispielsweise sind es Seitensprosse, die in der Regel einem Blatt gegenüberstehend angelegt werden.
Ranken sind meist dorsiventral gebaut, und schon C. DARWIN wies darauf hin, daß es Rankentypen gibt, deren Spitze allseitig reiz- und krümmungsfähig ist, andere, die nur an der Ventralseite (der morphologischen Unterseite) reizbar sind und die sich nur in diese Richtung krümmen, und schließlich wurden auch solche gefunden, die sich zwar nur zur Ventralseite hin krümmen, aber allseitig reizbar sind.
Zum Verständnis von Rankenbewegungen muß man zwischen zwei aufeinanderfolgenden Phasen unterscheiden. Die erste, obligatorische Phase ist den autonomen Bewegungen zuzuordnen, die zweite gehört zu den induzierten und setzt, wenn überhaupt, erst dann ein, wenn die Rankenspitze eine Stütze gefunden hat.
In frühen Wachstumsstadien sind Ranken meist eingerollt, und erst nachdem sie sich gestreckt haben, nehmen sie die charakteristischen Rankenmerkmale an. Die Spitze beginnt mit einer autonomen kreisenden Suchbewegung, die C. DARWIN als Circumnutation bezeichnet hat. Die Bewegung beruht auf gesteigertem Wachstum der morphologischen Oberseite (Dorsalseite). Das allein würde jedoch zu einer Einrollbewegung (Bildung einer Spirale) führen. Daß es nicht so ist, beruht darauf, daß sich die Wachstumszone (= die Dorsalseite) mit der Verlängerung der Ranke in Form einer Schraubenlinie um die Längsachse windet. Die Circumnutation kann mehrere Tage lang andauern, wobei sich die Ranke kontinuierlich verlängert. Nach Erreichen der vollen Länge und erfolgloser Suche wird die Bewegung eingestellt, die Reizbarkeit erlischt, und je nach Art folgen weitere Veränderungen, die entweder zur Verkümmerung, zum Absterben und zum Abfall oder zum Einrollen der Ranke führen. Wird jedoch während der Suche eine Stütze gefunden, setzt eine gerichtete Krümmungsbewegung ein. Eine Krümmung erfolgt aber nur dann, wenn nebeneinanderliegende Abschnitte in zeitlich aufeinanderfolgender Sequenz gereizt werden und die Reizung eine Zeitlang anhält. Erweist sich eine Stütze aufgrund der eben genannten Bedingungen als geeignet, wird eine Schlinge gebildet. Bei dünnen Stützen kann sie sich in bestimmten Grenzen nachfolgend verengen. Das freie Ende der Ranke setzt die Krümmungsbewegung fort und legt sich in immer neuen Windungen um die Stütze, bis ihr auch das äußerste freie Ende fest anliegt. Je näher die zuerst berührte Stelle zur Rankenbasis hin liegt, desto zahlreicher sind die Windungen. Die zwischen der Rankenbasis und ihrem Befestigungspunkt an der Stütze liegende Rankenstrecke kann sich nicht um die Stütze winden, obgleich sich der Krümmungsreiz auch auf diesen Streckenabschnitt der Ranke fortsetzt, was zur Folge hat, daß er sich in Form einer Schraube mit oft sehr zahlreichen Windungen einrollt. Die Schraubenwindungen bilden Wendepunkte (Umkehrpunkte) aus, zwischen denen jeweils die gleiche Anzahl gleichgerichteter Windungen liegt.
C. DARWIN erkannte, daß ihr Erscheinen keine spezifische Eigenschaft der Ranken oder des Reizes, sondern eine mechanische Notwendigkeit ist. Beginnt nämlich ein Körper, der an beiden Seiten fixiert ist, sich an einem der Enden um seine eigene Achse zu drehen, entstehen bei der Einrollung Torsionskräfte, die nur durch Umkehr der Drehrichtung (oder durch Reißen: siehe hierzu Entwindung der DNS bei der Replikation) ausgeglichen werden können.
W. PFEFFER entdeckte in den Zellwänden der reizbaren Zellen von Kürbisranken Aussparungen der Wand, die er Fühltüpfel nannte. G. HABERLANDT wies sie in Ranken vieler anderer Arten nach. Durch diese Wandunterbrechungen kann das Plasma (die Plasmamembran) lokalen Kontakt mit der Umwelt aufnehmen. Es ist daher naheliegend anzunehmen, daß es einen direkten Zusammenhang zwischen dieser Erscheinung und der Reizerkennung gibt. Wie der Reiz jedoch wahrgenommen, wie er weitergeleitet und schließlich in eine Wachstumsreaktion umgesetzt wird, gehört auch heute noch zu den weitgehend ungeklärten Problemen. Es gilt experimentell als gesichert, daß der Turgor in den ventral liegenden Zellen sinkt, in den dorsal liegenden steigt und damit die Streckungsreaktion der noch dehnungsfähigen Wand einleitet. Um die genannten Erscheinungen auf einen Nenner zu bringen, muß man wohl davon ausgehen, daß sich die Permeabilitäten der Membranen (= die Aktivitäten der erforderlichen Permeasen) in den beteiligten Zellen ändern und damit einen Ionenfluß induzieren. Es sieht ganz so aus, als seien diese Prozesse ATP-verbrauchend; nicht verwunderlich, denn wir haben es ja mit aktiven Transportfunktionen zu tun. Abschließend sei noch vermerkt, daß sich die Ranken nach dem Berühren einer Stütze morphologisch und physiologisch verändern. Die Gewebe verfestigen sich, und der Kontakt wird stabilisiert. Das alles deutet darauf hin, daß der Reiz als Signal zur Induktion neuartiger Stoffwechselaktivitäten verstanden wird und daß nach der Stimulation Gene aktiviert werden, die andernfalls im inaktiven Zustand verbleiben würden.
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