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Prof. Dr. Heinz Saedler

Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung, Köln

http://www.mpiz-koeln.mpg.de/~saedler/PR/Eisenhuetten/Eisenhuettenl.html


"Pflanzengenetik in der Landwirtschaft
-Fluch oder Segen?-"

Pflanzengenetik und -züchtung haben eine jahrtausendlange Tradition. Durch die Domestizierung einer Vielzahl von Tieren und Pflanzen wurde der Grundstein unseres heutigen Überlebens gelegt.
In den Entwicklungsländern muß der Lebensstandard angehoben werden. Zugleich ist in den Industriestaaten eine ökologisch weniger belastende Landwirtschaft zu entwickeln. Hierbei spielt die Pflanzenzüchtung durch Bereitstellung neuer, den regionalen Bedürfnissen angepaßter Sorten eine wichtige Rolle. Die Nutzung dieser Möglichkeiten sollte in Deutschland nicht verspielt werden; das Know-how hierfür ist vorhanden.


Auslese und Züchtung (Domestikation) von Tieren und insbesondere von Pflanzen vor mehr als
10 000 Jahren im Neolithikum ermöglichte immer größer werdende Ansiedlungen des Menschen und setzte durch fortschreitende Arbeitsteilung Kräfte frei, die für andere Zwecke als die der Nahrungsbeschaffung eingesetzt werden konnten. Eine vielfältige Kulturentwicklung wurde so möglich.

Domestikation von Pflanzen:

Versetzen wir uns in die Zeit um 8 000 v.Chr. nach Lateinamerika, genauer in das Hochland von Mexiko, so erleben wir eines der aufregendsten Beispiele der Entwicklung einer Hochkultur, die mit der Zähmung einer Wildpflanze begann und wie wir später erfahren werden, den Grundstock auch für unser heutiges Überleben legte.

Teosinte, ein hochaufragendes, weitverzweigtes Gras mit getrennten männlichen und weiblichen Blütenständen, das im Hochtal von Mexiko-Stadt, an den Hängen des Balsas-Flusses und an anderen Orten in Mexiko anzutreffen ist, konnte, trotz der Größe seiner Körner, für die menschliche Ernährung kaum genutzt werden. Dennoch gelang den Vorfahren der Maya aus diesem Gras durch ständige Auslese eine der wichtigsten Kulturpflanzen der Menschheit zu züchten, Mais, Bild 1.

Fünf Merkmale unterscheiden den Giganten Mais von seiner Ursprungspflanze:


Bild 1 Teosinte-Gras (links) und Mais (rechts)


Die beiden letzteren Merkmale bewirken den monströsen Kolben der Maispflanze, an dem die Körner so fest anhaften, daß, wie gesagt, eine natürliche Verbreitung der Pflanze nicht möglich ist. Biologisch kann Mais daher nicht überleben, vielmehr ist diese Pflanze ganz auf die menschliche Fürsorge angewiesen.
Es war ein langer und in seinen Details immer noch im Dunkeln liegender Weg von Teosinte bis zum heutigen Mais, der zum Wachstum menschliche Unterstützung braucht.

Ohne die Assistenz der Götter, ohne magischen Einfluß, so meinen die Maya, keimt der Mais nicht und trägt auch keine Früchte. Es reicht nicht, nur Körner zu säen, die entstehenden Pflanzen müssen später auch befruchtet werden, damit neue Früchte gebildet werden.

Das Fest Ochpanitzli, das im 11. Monat des Jahres gefeiert wird, dient der symbolischen Befruchtung und einer erfolgreichen Ernte. Die Patronin dieses Festes ist Tlatzolteotl, Göttin der Erde und der sexuellen Liebe. Sie gebiert den Maisgott, wobei das Kind zunächst aus dem 13. Himmel in den Uterus seiner Mutter einwandert, bevor der Maisgott Cinteotl geboren wird, ähnlich der Aussaat eines Maiskorns, das in die Erde versenkt wird bevor eine Pflanze hervorsprießt.

Zu diesem Fest sangen die Azteken folgendes Lied:
"Die Blüte meines Herzens bricht hervor, der Gott der Nacht, sie ist gekommen, sie ist gekommen, die Göttin Tlatzolteotl. Cinteotl ist geboren in Tamoanchan, dem schönsten Ort, am Tage 1 Ahau. Cinteotl ist geboren am Ort des Regens und Nebels, wo die Kinder der Menschheit entstehen, wo die juwelenglänzenden Embryos zu finden sind."

Die enge Verknüpfung von Mythologie und alltäglichen Gepflogenheiten ist Grundlage der indianischen Kultur, die uns neben Mais noch viele weitere, bis heute beliebte Kulturpflanzen bescherte, wie Kartoffeln, Tomaten, Bohnen, Avocado und Kakao, um nur wenige zu nennen.
Aber auch andere Hochkulturen haben sich um unsere Nahrungsquellen verdient gemacht. Pflanzen wurden in den unterschiedlichsten Regionen domestiziert und anschließend rund um den Globus verteilt und angebaut. Obwohl Mais in Mexiko entwickelt wurde, wird er heute vornehmlich in USA und China angebaut, wohingegen Soja aus China stammt und heute vorwiegend in USA und Brasilien angebaut wird.

Den meisten domestizierten Pflanzen ist gemeinsam, daß ihre natürlichen Verbreitungsmechanismen weggezüchtet wurden. Mit gutem Grund will der Bauer ja nicht dem einzelnen Samenkorn nachlaufen, sondern die Gesamtheit des Saatgutes auf leichte Art und Weise ernten. Unter anderem haben die Kulturpflanzen hierdurch auch ihre Wettbewerbsfähigkeit mit Wildpflanzen verloren. Daher verbreiten sich Nahrungspflanzen trotz ihrer globalen Verteilung nur äußerst selten unkontrolliert.
Fazit: Domestizierte Pflanzen sind Kulturpflanzen und ihr Anbau per se stellt aus ökologischer Sicht kein Problem dar, wohl aber der Anbau von Monokulturen, auf den ich später zurückkomme.


Die Lage in der Welternährung:

Die Weltbevölkerung ist gegenwärtig auf mehr als 5 Milliarden Individuen angewachsen, die alle ernährt werden müssen. Wie Bild 2 verdeutlicht, ist nicht nur die Bevölkerung auf die einzelnen Kontinente unterschiedlich verteilt sondern auch die landwirtschaftliche Produktion in den Kontinenten verschieden (dies wird durch die Größe der Brote in Relation zu der Größe der Figuren in Abb. 1 verdeutlicht). Lediglich in Nordamerika und Europa werden Agrarüberschchüsse erzielt, die u.a. zum Ausgleich von Defiziten in anderen Teilen der Welt eingesetzt werden.
Mehr als 60% der Weltbevölkerung lebt in Asien, die restlichen 40% verteilen sich mehr oder weniger zu gleichen Anteilen auf Nord- und Südamerika, Afrika und Europa. Besorgniserregend ist die Tatsache, daß außer in Europa und Nordamerika, die Bevölkerung der übrigen Kontinente immer noch exponentiell wächst. Nicht nur, daß gegenwärtig ein Nahrungsmangel in vielen Regionen der Welt besteht, das exponentielle Wachstum der Bevölkerung scheint diesen Konflikt noch weiter zu verschärfen.

Bild 2 Bevölkerungsverteilung und Nahrungsmittelproduktion

Erhöhung der Nahrungsmittelproduktion, so wird oft vermutet, könnte zur beschleunigten Vermehrungsrate führen. Interessanterweise deuten einige Beobachtungen jedoch in eine andere Richtung. Erhöhung des Lebensstandards in den Entwicklungsländern reduziert das Wachstum der Bevölkerung. Dabei spielen die Ausbildung der Frauen, eine Verbesserung des Hygienestandards und eine ausreichende Versorgung mit Nahrungsmitteln eine wesentliche Rolle. Die Pflanzengenetik könnte bestenfalls zum letzteren beitragen, und hier hat sie ja auch bereits Hervorragendes geleistet. Erwähnt sei die Züchtung von Kurzstrohsorten beim Weizen, eine Voraussetzung für höhere Erträge. Für die Züchtung dieser Sorte erhielt Borlaugh den Nobelpreis. Darüber hinaus bildeten Kurzstrohsorten die Grundlage für die "Grüne Revolution". Indische Kollegen kreuzten sie in ihre Landsorten ein und machten Indien damit unabhängig von Weizenimporten. Der Anbau, der für den mexikanischen Lebensraum entwickelten Kurzstrohsorten in anderen klimatischen Zonen ohne vorherige Adaptation mußte zwangsläufig zu negativen Ergebnissen führen. Dies machte Schlagzeilen, obwohl dadurch weniger Menschen betroffen waren als von den positiven Erträgen, die beispielsweise in Indien erzielt wurden.

In jedem Fall muß in den Entwicklungsländern die zur Verfügung stehende Menge an Nahrungsmittel erhöht werden. Unkräuter, Insekten und Krankheiten zerstören ein Drittel der Welternte, Bild 3.

Bild 3 Ernteverluste und ihre Ursachen

Auch Pflanzen erkranken: Resistenzzüchtung.
Die Pflanzenbiotechnologie und hier insbesondere die Gentechnologie hat das Spektrum der Möglichkeiten in der Pflanzenzüchtung nachhaltig erweitert. Gene können aus den unterschiedlichsten Organismen isoliert und in die verschiedensten Organismen wieder eingeführt werden. Mit Hilfe gentechnologischer Methoden konnten bereits Kulturpflanzen vor Verunkrautung, Insekten oder bestimmten Krankheiten geschützt werden. Dies soll am Beispiel einer Erkrankung der Kartoffel verdeutlicht werden. Wie Mensch und Tier leiden auch Pflanzen an virösen Erkrankungen. Da auch hier keine therapeutischen Maßnahmen greifen, sondern bestenfalls die Überträger der Viren, oft Insekten mittels Chemikalien (Insektiziden) bekämpft werden können, verursachen derartige Erkrankungen hohe Ernteverluste. Weltweit schätzt man die Einbußen durch virale Erkrankungen auf 2 Milliarden US Dollar, bei der Kartoffel allein auf 30 Millionen US Dollar. In Afrika können die Verluste bei einer der Hauptnahrungspflanzen, Maniok, zwischen 20% und nahezu 90% betragen.
Am Beispiel der Kartoffel soll ein gentechnisch vermittelter Breitbandschutz vor den schädlichsten Viren dieser Pflanze erläutert werden.
Kartoffelviren, wie z. B. das Blattrollvirus ( PLRV) werden von der grünen Blattlaus übertragen, die Kartoffelviren X und Y jedoch vornehmlich durch mechanische Verletzung. Oft treten virale Erkrankungen der Pflanzen als Mischinfektionen auf. Alle Viren überdauern in den Knollen, so daß sich im Folgejahr bei den daraus heranwachsenden Pflanzen ausgeprägte Schadbilder zeigen,
Bild 4.


Kartoffelvirus Y
NTN-Stamm
Kartoffelvirus Y
O-Stamm

Bild 4 Viren schädigen Pflanzen

Die Viren, einmal durch das Insekt in die Leitbahnen der Pflanze eingebracht, verteilen sich über die ganze Pflanze und dringen in einzelne Zellen ein. Dort findet eine Vermehrung statt und ein anschließender Transport des Virus in benachbarte, noch nicht befallene Zellen. Dies führt entweder zum Absterben der Zellen oder wie im Falle des Blattrollvirus zum Einrollen des Blattes und damit zu Ernteeinbußen. Bei der Kartoffel sind schon einige Gene identifiziert worden, die eine Widerstandsfähigkeit (Resistenz) gegen eine Reihe von Viruskrankheiten vermitteln. Resistenzgene gegen das Blattrollvirus sind allerdings noch nicht bekannt.



Bild5 Das veränderte Transportprotein des Kartoffelblatvirus
behindert den Transport des Virus in der Pflanze


Für den Transport des Virus durch die Öffnungen zwischen den Zellen veranlaßt das Virus die Pflanzenzelle, ein Transportprotein zu bilden, Bild 5. Ein solches Proteinmolekül besitzt zwei Bindestellen (Domänen), die jeweils bestimmte Aufgaben übernehmen: Eine bewirkt, daß sich mehrere TP-Moleküle zu Komplexen zusammenlagern. Über die andere binden die TP-Komplexe an das Erbgut des Blattrollvirus. Dabei überführen sie es in einen langgestreckten Faden, der für die Reise von Zelle zu Zelle geeignet ist. Den Gentechnikern gelang die Isolierung der Erbanlage für das Transportprotein. Veränderungen im Reagenzglas führten zu einem Protein, das keine Molekül-Komplexe mehr ausbilden kann, wohl aber noch an das Erbgut des Virus bindet. Wird eine derartig veränderte Erbanlage in die Erbsubstanz der Pflanze eingebracht und ausgeprägt, dann kann bei Befall mit dem Blattrollvirus dieses Virus sich nicht mehr in der Pflanze ausbreiten. Die gentechnisch veränderte Pflanze enthält bereits ein verändertes TP, das zusammen mit dem vom Virus stammenden, normalen TP veränderte Mischkomplexe bildet, die den Faden des Erbgutes nicht mehr strecken und daher den Transport von Zelle zu Zelle unterbinden. Diese Pflanze ist nunmehr widerstandsfähig gegen den Befall mit Blattrollvirus, Bild 6.


Nicht gentechnisch veränderte
Pflanzen zerstört das Virus
In der gentechnisch
veränderten Pflanze
kann sich das Virus nicht
großflächig ausbreiten.

Bild 6 Gentechnisch veränderte Pflanzen sind vor dem Blattrollvirus geschützt


Mit derartig gentechnisch veränderten Pflanzen war ein Durchbruch erreicht, zumal sich herausstellte, daß die Pflanzen auch unempfindlich gegenüber den Viren X und Y waren, daß also eine Breitspektrumschutz vorlag. Die Zukunftsperspektive derartiger Sorten sollte eigentlich recht positiv zu sehen sein, denn sie erlaubt es, auf Spritzmittel weitestgehend zu verzichten. In der Bundesrepublik stieß der erste Freilandversuch mit diesen Pflanzen jedoch nicht auf Gegenliebe, vielmehr wurde er mittels unzulässiger Spritzmittel vernichtet. Doch hierzu mehr an anderer Stelle.

Wenn auch mit Hilfe derartiger neuer Sorten die Ernteausfälle reduziert werden können und somit mehr Nahrungsmittel zur Verfügung stehen, reicht diese Maßnahme allein nicht aus, es muß auch noch intensiver angebaut werden. Da das nutzbare Land begrenzt ist und bereits weitgehend genutzt wird, müssen die Erträge gesteigert werden, um zunehmend größere Mengen an Nahrungsmittel zu produzieren.
Dies kann durch eine Vielzahl von Maßnahmen erreicht werden, von denen an dieser Stelle jedoch nur eine beispielhaft erläutert wird:

Hybridsaatzucht.

Wie der Mensch, so sind auch einige der Kulturpflanzen diploid, d.h. jede Erbinformation ist doppelt vorhanden, zwei Kopien von jedem Gen, die von den beiden Eltern herrühren. Inzuchtlinien besitzen identische Kopien und sind daher nicht besonders kräftig in ihrem Wuchs. Bastarde entstehen durch Kreuzung zwischen Individuen unterschiedlicher Inzuchtlinien und zeichnen sich oft durch besonders kräftigen Wuchs und hohe Erträge aus. In der Hybridsaatzucht werden verschiedene Inzuchtlinien benötigt, um geeignete Bastarde herstellen zu können. Dies ist beim Mais, wo das Verfahren seit Mitte der dreißiger Jahre mit großem Erfolg angewandt wird, besonders leicht. Mais hat gegenüber den meisten Gräsern den züchterischen Vorteil, daß die Geschlechter räumlich getrennt in verschiedenen Blütenständen derselben Pflanze verteilt sind. Durch manuelle Entfernung der männlichen Blütenstände kann durch Kreuzung von Inzuchtlinien hybrides Saatgut produziert werden. Das Verfahren wurde lange praktiziert, bis infolge der Verteuerung menschlicher Arbeitskraft einerseits und der Entwicklung eines biologischen Sterilitätssystems andererseits Hybridsaatgut kostengünstiger hergestellt werden konnte. Mehrere biologische Systeme der cytoplasmatischen männlichen Sterilität waren beim Mais entdeckt worden. Allerdings nützen derartige sterile Systeme wenig, wenn die Fertilität nicht wiederhergestellt werden kann. Neben der männlich sterilen Linie ist also auch eine genetisch passende "Restorer" Linie für die Vermehrung der Inzuchtlinien erforderlich.

Die Erträge des Anbaus von Hybridsaatgut sind so hoch, daß bei optimalem Anbau und ausreichender Düngung in einem Zeitraum von etwa 50 Jahren eine mehr als 4-fache Ertragssteigerung erzielt werden konnte.

Die Tatsache, daß für die nächste Wachstumsperiode kein Saatgut zurückbehalten werden kann, beruht auf seinem hybriden Charakter, der keine Einheitlichkeit des Materials für einen weiteren Anbau gewährleistet.

In anderen Worten: Hybridsaatgut muß ständig vom Züchter geliefert werden. Dennoch ist diese Strategie beim Mais so erfolgreich, daß eine Ausdehnung auf andere Kultursorten angestrebt wurde.
Obwohl in einigen Kulturpflanzen ebenfalls cytoplasmatisch männliche Linien bekannt waren, hatte das Desaster bei Mais im Jahre 1970 in den USA den Optimismus zur Nutzung dieser Systeme zerstört. Wegen des einheitlichen Cytoplasmas des Hybridmaterials und aufgrund der Tatsache, daß ein Pilz sich in diesem Material besonders gut vermehren konnte, war durch eine explosionsartige Ausbreitung der "Northern Leaf Blight" ein Schaden von mehreren Milliarden Dollar entstanden. Cytoplasmatische männliche Sterilität wurde daher nicht weiter zur Herstellung von Hybridsaatgut beim Mais verwendet, vielmehr kehrte man zum alten Verfahren zurück, oder nutzt zunehmend moderne Wege, um Hybridsaatgut herzustellen.
Bei vielen kultivierten Pflanzen liegt bei der Etablierung einer Hybridsaatzucht die Schwierigkeit in der Tatsache, daß sie zwittrig sind, also Blüten mit männlichem und weiblichem Geschlecht aufweisen. Bei den Getreiden, deren Blüten winzig sind, verursacht die Zwittrigkeit erhebliche praktische Probleme bei Kreuzungen. Angestrebt wird daher die Etablierung von männlich sterilen Linien sowie Restorer-Linien, in denen diese Sterilität wieder aufgehoben wird.

Heute können solche Linien gentechnologisch hergestellt werden.
Die Tapetum-spezifische Ausprägung einer bakteriellen RNAse (Barnase) in den Antheren gentechnisch veränderter Tabakpflanzen verhindert die Reifung der Pollen und führt somit zur männlichen Sterilität. Die genetische Erhaltung dieser Linie ist nur dann möglich wenn die Sterilität rückgängig gemacht werden kann. Die gentechnologische Einführung und tapetal-spezifische Ausprägung eines Inhibitors der RNAse (Barstar) hebt die Sterilität auf (Restorer) und die Pflanze kann generativ vermehrt werden. Dieses System wurde von der Firma PGS jetzt AGREVO inzwischen auch für Raps ausgetestet und sieht seiner Bewährunsprobe entgegen.

Die Einführung von Hybridsaatzucht in andere Kulturpflanzen wird u.a. mit Hilfe der Gentechnik angestrebt. Sie könnte zu einer weiteren Steigerung der Erträge beitragen und neben einer erfolgreichen Kontrolle von Pflanzenkrankheiten, die Basis für die Steigerung des Lebensstandards der Bevölkerung legen, was sich wiederum positiv auf die Kontrolle des Bevölkerungswachstums auswirken könnte.


Die Situation in den Industriestaaten:

In Zentraleuropa und Nordamerika sind neben Ertragshöhe und Ertragssicherheit weitere Ziele in der Pflanzenzüchtung von Bedeutung.
Die hohe Effizienz unserer Landwirtschaft beruht einerseits auf der Entwicklung von Hochleistungssorten und zum anderen auf einem sehr hohen Energieeintrag.

Es gilt in Europa und Nordamerika eine intensive, aber ökologisch wenig belastende Landwirtschaft zu entwickeln.

Der Anbau von genetisch einheitlichen Pflanzen, wie er in der intensiven Landwirtschaft heute üblich ist, zieht eine Vielzahl von Umweltproblemen nach sich. Der Verlust der Wettbewerbsfähigkeit der Kultivare hat zur Folge, daß diese vor ihren "Mitbewerbern" auf den Agrarflächen geschützt werden müssen. Daher spritzt der Landwirt Unkrautvernichtungsmittel, also Wirkstoffe, die das Wachstum unerwünschter um Nährstoffe konkurrierender Pflanzen auf der Nutzungsfläche verhindern sollen. Die heute verwendeten Herbizide wirken spezifisch auf "Unkräuter" und beeinflussen nicht den zu schützenden Kultivar. Ihre spezifische Wirkung liegt in der Struktur der Chemikalie selber. Die großen Mengen und die hohe Stabilität im Boden derartiger Herbizide kann zu einem Eindringen in das Grundwasser führen. Dagegen muß etwa getan werden. Infolgedessen bemüht sich die Industrie neuartige, kurzlebigere Substanzen zu entwickeln, die in geringeren Dosen ausgebracht werden können. Leider fehlt diesen "neuen" Herbiziden jedoch oftmals die spezifische Wirkung, d.h. sie töten alle Pflanzen und werden daher als Totalherbizide bezeichnet. Sie sind somit nur vor dem Keimen der Saat, also zeitlich sehr eingeschränkt verwendbar.
Eine umfassendere Nutzung derartiger Substanzen erscheint ökologisch sinnvoll, kann aber nur angegangen werden, wenn es gelingt, die Nutzpflanzen vor der Wirkung dieser Substanzen zu schützen.

Herbizid-Toleranz.

Viele der neuen Wirkstoffe (Herbizide), die von Mikroorganismen produziert werden, greifen z.B. in die Synthese der Bausteine von Proteinen ein, so daß "alle" Pflanzen empfindlich gegenüber diesen Wirkstoffen sind. Allerdings schützen sich die Bakterien vor ihren eigenen Wirkstoffen mit Hilfe eines Resistenz-Gens. Mehrere verschiedene Resistenz-Gene wurden aus Bakterien isoliert, in ihren Steuerungssignalen verändert und in Pflanzen eingebracht, mit dem Ergebnis, daß diese jetzt tolerant gegenüber dem Herbizid sind.

Der Einsatz derartiger, gentechnisch veränderter Pflanzen könnte zu einer Verminderung an Spritzmitteln in der Landwirtschaft führen, da nunmehr äußerst wirksame, aber relativ kurzlebige Wirkstoffe nur bei Bedarf eingesetzt werden müßten. Die Belastung der Ökosysteme sänke entsprechend.

Insekten-Resistenz.

Der Einsatz von Schädlingsbekämpfungsmittel (Pestizide), hier insbesondere Insektenvernichtungsmittel hat ein bedrohliches Ausmaß erreicht, so daß auch hier nach neuen Wegen zu suchen ist. Seit vielen Jahren werden biologische Präparate zur Bekämpfung von Insektenfraß eingesetzt. Unterschiedliche Bazillus thuringiensis (Bt) Arten produzieren äußerst spezifische Gifte (Toxine), die sehr gezielt auf bestimmte Insektengruppen wirken. Aus diesem Grund wurden die entsprechenden Mikroorganismen auf besonders gefährdete Kultursorten, etwa Baumwolle ausgebracht, um eine mögliche Schädigung zu verhindern. Viel eleganter und auch sicherer wäre eine Verlagerung dieser Schutzmaßnahme direkt in die Pflanze. Toxin-kodierende Gene wurden aus verschiedenen Baz.thuringiensis Arten isoliert und in ihren Steuerungssignalen so verändert, daß eine Ausprägung auch in Pflanzen stattfinden konnte. Derartig veränderte Pflanzen sind, wie viele Feldversuche gezeigt haben, unempfindlich gegenüber Fraß durch bestimmte Insekten, was zu erheblichen Einsparungen von Insektiziden führt. Der Anbau solcher Sorten bei entsprechend vorsichtigem "Crop-Management" zur Verhinderung des Auftretens unempfindlicher Insektenpopulationen ist durchaus ein Schritt in die richtige Richtung.

Resistenz gegen pilzliche Erkrankungen.

Eine weiteres großes Problem der Landwirtschaft industrialisierter Länder stellen Pilzkrankheiten dar. Insbesondere durch den Anbau von Monokulturen besteht die Notwendigkeit, Fungizide zur Bekämpfung auftretender Pflanzenkrankheiten einzusetzen. Dies hat zur Folge, daß mehr und mehr Umweltschäden beobachtet werden. Die Züchter stellen sich zunehmend darauf ein, Krankheitsresistenzgene aus verwandten Wildsorten in die Kulturpflanzen einzukreuzen.

Der Anbau krankheitsresistenter Sorten führt zu einer erheblichen Einsparung sonst notwendiger Pflanzenschutzmittel.
Die Erstellung biologisch geschützter Linien ist eine sehr zeitraubende Arbeit, die jedoch mit Hilfe etwa der RFLP-Methode zielgerichteter und somit auch schneller durchgeführt werden kann. In vielen Fällen stehen kreuzbare krankheitsresistente Wildformen nicht zur Verfügung. In diesen Fällen kann ein Resistenzgen aus irgendeiner Pflanze gentechnologisch isoliert werden und steht dann zur Übertragung in recht unterschiedliche Pflanzenarten zur Verfügung. Die resultierenden transgenen Pflanzen wären nun gegenüber pilzlichen Erkrankungen besser geschützt.
Inzwischen wurden eine Reihe von Pilz-Resistenzgenen isoliert, so daß das beschriebene Szenario realisiert werden kann.

Fazit: Die Möglichkeiten der Gentechnik in der Pflanzenzüchtung sind vielfältig und könnten bei der Lösung insbesondere von Umweltproblemen, die durch die zur Zeit übliche landwirtschaftliche Praxis entstanden sind, sehr hilfreich sein.

Ein anderes Umweltproblem liegt in den immer größer werdenden Mengen von Plastikabfall. Die Beseitigung dieses Problems könnte ebenso wie die Etablierung neuer Rohstoffquellen durch entsprechend veränderte Kulturpflanzen ("Designer"-Pflanzen) angegangen werden.

"Designer"-Pflanzen.

Ein anderes Umweltproblem liegt in den immer größer werdenden Mengen von Plastikabfall. Die Beseitigung dieses Problems könnte ebenso wie die Etablierung neuer Rohstoffquellen durch entsprechend veränderte Kulturpflanzen ( "Designer"- Pflanzen ) angegangen werden.
Diese neuen Pflanzensorten sind maßgeschneidert für die Erfordernisse industrieller Aktivitäten, sie könnten eine neue Rohstoffbasis z.B. für die chemische Industrie darstellen.
Dies sei kurz illustriert.Die beiden Prozesse Photosynthese und Atmung stehen ohne menschlichen Einfluß im Gleichgewicht. 35 Milliarden Tonnen Kohlendioxyd, die bei der Atmung entstehen, werden durch die Photosynthese wieder gebunden. Die Verbrennung fossiler Ressourcen sowie das Abholzen insbesondere der Regenwälder führt zu einer empfindlichen Störung dieses Kreislaufes, so daß nun ein Überschuß an Kohlendioxyd entsteht, der möglicherweise auch zu einer Aufheizung der Atmosphäre beitragen kann. Nachwachsende Rohstoffe könnten zur Entspannung dieser Problematik beitragen.

Andere transgene Pflanzen, deren Inhaltsstoffe zu neuen, die Umwelt weniger belastenden Produkten (Bioplastik) führen, stehen ebenfalls auf der Liste der Pflanzen-Designer. Bakterien der Art Alcaligenes eutrophus produzieren Polyhydroxybuttersäure, ein thermisch verformbares Material, das den großen Vorteil hat, biologisch abbaubar zu sein und daher kurz als Bioplastik bezeichnet wird. Bislang ist seine Produktion in Bakterien zu teuer, um mit chemisch produzierten Plastikmaterialien konkurrieren zu können. Gelänge eine Produktion dieses Materials in einer Kulturpflanze, dann könnte der große Vorteil der biologischen Abbaubarkeit voll genutzt werden und somit eines unserer dringlichen Umweltprobleme (Müll) lösen helfen. Für die Biosynthese von Polyhydroxybuttersäure sind drei Enzyme notwendig, deren Gene aus Bakterien isoliert und nach entsprechender Veränderung in Arabidopsis thaliana eingebracht wurden. Die Keimlinge akkumulieren jetzt das Bioplastikmaterial in kleinen Kügelchen.
Diese Versuche zeigen, welche Potenz in dieser neuen Technologie liegt und welche Hilfe sie bei der Lösung vieler Probleme bieten könnte.

Woran liegt es dann, daß die Vorteile der Technologie in der Bundesrepublik Deutschland nicht oder nur zögernd genutzt werden?
Stellt die Nutzung gentechnologisch hergestellter Pflanzensorten ein neues Risiko dar?


Deutschland ein besonderer Fall:

In Deutschland entbrannte bereits vor der Etablierung des Gentechnik-Gesetzes in den veröffentlichten Meinungen eine heftige Diskussion über die Nutzung der Gentechnik. In den letzten beiden Jahren ist auch bei den Umweltorganisationen bei der Nutzung der Gentechnologie im Pharma-Bereich ein Lockerung des Widerstandes zu verspüren, da die Vorteile, die die neuen Produkte liefern, ganz offensichtlich sind.

Letztes Refugium des verbandsmäßig organisierten Widerstandes ist die Anwendung der Gentechnik bei Pflanzen. Die Vorbehalte gegen die Nutzung der Gentechnik wird hier durch die Verwüstung von Feldern mit gentechnisch veränderten Pflanzen besonders deutlich.
Auch hierbei werden die Aktionen im Wesentlichen von Unkenntnis oder aber auch von Ideologie geprägt, denn wie bereits eingangs dargelegt, sind Kulturpflanzen durch den Prozeß der Domestikation so verändert worden, daß sie mit den Wildpflanzen nicht mehr konkurrieren können. So ist dann trotz des globalen Anbaus dieser Pflanzen, auch in ganz unterschiedlichen Biotopen, keine nennenswerte Verwilderung bekannt. Ebenso unwahrscheinlich ist die Verbreitung des genetischen Materials auf Wildformen, da der Anbau der meisten Kulturpflanzen in Europa in der Regel in Gegenden stattfindet, in denen keine kreuzbaren Wildformen vorkommen.

Der Anbau gentechnisch veränderter Kulturpflanzen stellt daher kein besonderes Risiko dar.

Da das Ausmaß der Domestikation bei den Kulturpflanzen jedoch recht unterschiedlich ist, und da möglicherweise auch nicht domestizierte Pflanzen genutzt werden könnten, muß nach gesetzlichen Vorschriften eine Einzelfallbewertung vorgenommen werden. Aus ökologischer Sicht kann der Anbau von geeigneten gentechnisch veränderten Pflanzen zu einer Entspannung der Umweltbelastung durch die Landwirtschaft führen. Dies wird unverständlicherweise von ökologisch aktiven Gruppen bislang nicht gesehen.

Will Deutschland im Konzert der Industriestaaten weiter mitspielen, dann gilt es diese Schlüsseltechnologie nicht so leichtfertig, wie zuvor mit anderen Technologien geschehen, aufs Spiel zu setzen.
Mangelnde Akzeptanz kann durch Aufklärung und vertrauenschaffende Maßnahmen überkommen werden:

Schaugärten:
Viele Städter sind zunehmend weniger vertraut mit kultivierten Pflanzen.

Zur Verbreitung von Kenntnissen über "unsere" Kulturpflanzen wurde daher in den letzten Jahren ein Schaugarten am MPI für Züchtungsforschung entwickelt, in dem die wichtigen Kulturpflanzen der Erde zu sehen sind. Die Probleme ihres Anbaus werden an Hand des lebenden Materials deutlich. Jeder Parzelle ist ein einheitliches Poster beigegeben, auf dem der Herkunftsort, die Anbaugebiete, die Entwicklungsgeschichte, die Nutzung und die Zuchtziele der einzelnen Kulturpflanzen dargestellt sind. Ein Begleitbuch hierzu wurde ebenfalls entwickelt. Diese Ausstellung kann gegenwärtig in acht deutschen Ballungszentren besucht werden. Zur Zeit findet eine Ausweitung in andere europäische Regionen statt.

Darüber hinaus wird die Ausstellung gegenwärtig um den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen erweitert.


MPIZ aktuell:

Hierzu wurden Faltblätter vom Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung als Unterrichtsmaterialien für Schulen entwickelt, um über die Fakten und Hintergründe der Freilandversuche mit gentechnisch veränderten Pflanzen zu informieren.
Hierdurch hoffen wir den Dialog mit der Öffentlichkeit zu versachlichen.

FraGen: Informationsmaterial für Schüler
Eine andere Aktivität ermöglicht einen direkten Austausch mit Schülern, die einen besonderen Schwerpunkt der Aufklärung darstellen. Aus diesem Grund wurde die Entwicklung von verschiedenen Informationsmaterialien für Schüler entwickelt. Von der Wissenschaft, insbesondere der Max-Planck-Gesellschaft und ihrer Institute wurden Faltblätter zu Themen wie Gentherapie, Novel Food und transgenen Pflanzen entwickelt. Die vom Bund und den Ländern gestartete Aktion "Schulen ans Internet" wurde genutzt, um die Software "FraGen" zu entwickeln, die eine Kommunikation zwischen Schulen und Universitäten ermöglichen soll.

Ein populäres interaktives Biotechnologie Ausstellungszentrum- KölnPUB:
das Forschungen und Anwendungen dieser neuen vieldiskutierten Technik in den Bereichen Ernährung und Landwirtschaft, Gesundheit und Medizin sowie Umwelt einer breiten Öffentlichkeit zugängig machen soll. Das gesamte Ausstellungszentrum soll besucherorientiert gestaltet und organisiert werden. So sollen die Besucher drinnen und draußen attraktive und "begreifbare" Erlebniswelten vorfinden, die ihnen den Zugang zur neuen Biologie erleichtern. Bewährte "hands-on" Ausstellungseinheiten und modernste Kommunikationstechnologie werden sie auf ihren individuellen Wegen durch das Gelände begleiten.

Obwohl KölnPUB erst im Jahr 2 000 eröffnet wird, werden die hierfür zu entwickelnden Module fortlaufend in der Öffentlichkeit getestet.


Festvortrag zur Jahresversammlung des Eisenhüttentages
am 15. November 1996
Erschienen in Stahl und Eisen 116,74-79 (1996) Nr. 12
Verlag Stahleisen GmbH
Umgeschrieben auf HTML von R.Saedler


Peter v. Sengbusch - b-online@botanik.uni-hamburg.de