Tag für Wissenschaft und Wirtschaft der Industrie- und Handelskammern
in Nordrhein - Westfalen
Biotechnologie
- Herausforderung für Wissenschaft und Wirtschaft"
Donnerstag, den 30. Mai 1996, Münster - Schloß
Im September 1995 gab die renomierter Zeitschrift "Scientific American"
anläßlich ihres 150-jährigen Jubiläums eine Sonderausgabe
zu "Schlüsseltechnologien im 21. Jahrhundert" heraus.
Diese umfaßten natürlich Informationstechnologien, Transport,
Machinen, Materialien und ihre Fabrikation, Energien und Umwelt und Medizin,
alles sehr lesenswerte Beiträge.
Dem heutigen Thema entsprechend möchte ich mich auf die Biotechnologie
konzentrieren. Basierend auf dem fortgeschrittenen Stand der methodischen
Entwicklung in der Biotechnologie möchte ich die Behauptungen wagen,
daß
die Biotechnologie
die gegenwärtige Industrielandschaft verändern wird.
Im vergangenen Jahrzehnt wurden die Methoden der Anzucht von Mirkoorganismen,
von tierischen und pflanzlichen Zellen, der Gewebekultur, und der Regenration
von ganzen Pflanzen aus Einzelzellen oder Gewebeteilen erheblich verbessert.
Parallel wurden die Methoden der Gen - Isolierung verfeinert und eine Vielzahl
von Vektoren für den Gen - Transfer
für Pflanzen und Tiere entwickelt. Dieses methodische Repertoire steht
heute zur Verfügung und wird in der biologischen Forschung auch in
Zukunft unverzichtbar sein.
Auf der anderen Seite kann dieses Know- How natürlich auch bei der
Lösung handfester Probleme eingesetzt werden.
Auf diese anwendungsrelevante Seite der Biotechnologie möchte ich im
folgenden näher eingehen und mit ausgewählten Beispielen darlegen,
wie Biotechnologie Medizin, Landwirtschaft und Umwelt beeinflusssen und
weite Teile der heutigen Industrielandschaft verändern wird.
Bereits heute wird eine Vielzahl von Pharmaka in genetisch bezw. gentechnisch veränderten Mirkoorganismen produziert. Dieser Trend wird sich ebenso fortsetzen, wie die Weiter- und Neuentwicklung von gentechnischen Diagnose-Kits.
Designer-Drogen stehen auf dem Programm mancher Firmen.
Besonders interessant wird die Entwicklung neuer Kontrazeptive sein. Bei
Frauen zeichnet sich hier eine größere Vielfalt von Möglichkeiten
des Eingriffs in den Zyklus ab, dennoch werden die Entwicklungen für
entsprechende Präparate für den Mann verstärkt weitergetrieben,
etwa der Entwicklung von injizierbaren Androgenen mit Progestin. Dies ermöglicht
neue Ansätze der Geburtenkontrolle und eröffnet damit neue Beiträge
zur Reduktion des globalen Bevölkerungswachstums. Weitere Ansätze
in diesem Bereich sind Entwicklungen von Vakzinen für beide Geschlechter,
die etwa 1 Jahr effektiv sind und anderes mehr.
Mir scheinen jedoch einige andere Entwicklungen auf dem Gebiet der Biotechnologie
für die Medizin und Gesundheit des Menschen von viel größerem
innovativem Potential: künstliche Organe, und Gentherapie.
Künstliche Organe:
"Engeneering" künstlicher Gewebe ist die natürliche
Folge der Behandlung von Verletzungen bezw. Krankheiten, wobei die Ingenieure
dieser Gewebe die körpereigenen Zellen sind.
Millionen von Leuten verlieren jährlich durch Unfälle, Krankheiten
oder Erbschäden Organe. In den letzten Jahrzehnten wurden zur Verbesserung
der Lebensbedingungen dieser Patienten neue Medikamente "designed",
chirurgische Verfahren verbessert oder medizinische Hilfen entwickelt.
Immunsuppressive Medikamente wie Cyclosporine und Tacrolimus verhindern
die Abstoßung von transplantiertem Gewebe; weniger invasive chirurgische
Techniken, wie Laparoskopie reduzieren traumatische Verletzungen; Dialyse
und Herz-Lungen Maschine erhöhen die Überlebenschancen entsprechender
Patienten.
Dennoch sind alle diese Verfahren nicht perfekt und beeinflussen oft die
Lebensqualität der Patienten.
Hier zeichnen sich neue Entwicklungen ab, die zur Normalisierung des Lebens
der Patienten beitragen werden.
Viele Strategien auf dem Gebiet des "Gewebe- engeneering" basieren
auf der Manipulation ultrareiner, biologisch abbaubarer Polymere, die als
Substrate für Zellkulturen und Implantationen in Frage kommen. Diese
Polymere zeichnen sich durch beträchtliche mechanische Beanspruchbarkeit
und durch ein hohes Verhältnis von Oberfläche zu Volumen aus.
Viele dieser Polymeren leiten sich von abbaubaren chirurgischen Nähseiden
ab, die bereits vor Jahrzehnten entwickelt wurden. Computer-unterstützter
Design und entsprechende Fabrikationsmethoden erlauben nun diese Plastikmaterialien
zu einen Gerüst zu formen, das die Struktur des zu ersetzenden Organs
nachempfindet. Dieses so aufgebaute Organ-Gerüst kann mit geeigneten
körpereigenen Zellen beimpft werden. Mit fortschreitender Zellteilung
wird das Plastikgerüst langsam abgebaut, so daß am Ende nur zusammenhängendes
Organgewebe übrig bleibt. Das neue "künstliche" Organ
kann nun dem Patienten implantiert werden, ohne daß Abstoßung
zu befürchten ist, da es sich um die Übertragung körpereigener
Gewebe handelt.
Eine derartige Strategie, das ist ein Design einer künstlichen tierischen
Herzklappe unter Verwendung von Zellen, die aus den Blutgefäßen
eines Schafes stammten, war bereits erfolgreich. Ebenso konnte in den letzten
Jahren menschliche Haut auf polymeren Substraten gezogen werden, die dann
später Verbrennungspatienten übertragen werden konnte.
In Zukunft wird ein Design ganzer Organe, wie Nieren und Leber vielleicht
möglich werden, ebenso wie die Anfertigung ganzer Extremitäten,
also komplexer Strukturen, die aus einer Vielzahl von Geweben bestehen.
Die Möglichkeiten, die diese Technologie beinhaltet sind fast unabsehbar.
Sicherlich sind noch viele Probleme zu lösen, bevor an einen routinemäßigen
Einsatz gedacht werden kann. Der Trend zur Nutzung artifizieller Organe
ist jedoch unverkennbar.
Bei der Gentherapie geht es in erster Linie um die Behebung von Krankheiten
oder erblichen Defekten durch die Übertragung geeigneter Gene in somatische
Zellen, zur Behebung biochemischer Ausfälle.
Die technologischen Voraussetzungen für Eingriffe in das menschliche
Erbgut sind gegeben.
Mit der Entwicklung der Gentherapie hat die Wissenschaft das Spektrum der Heilungsmöglichkeiten von Krankheiten, die anderweitig nicht oder nur mit erheblichen Nebenwirkungen kurierbar sind, stark erweitert. Oft liegt in der Genübertragung die alleinige Heilungschance. Eine der ersten Patienten, Ashanti DeSilva, litt an SCID, einer schweren Form erblicher Immundefizienz. Im Alter von vier Jahren wurde das Mädchen durch die Übertragung des Adenosindeaminase-Gens in den USA therapiert. Heute, mit neun Jahren, kann Ashanti altersgemäß leben. Die Liste der durch Genübertragung therapierbaren Erbkrankheiten, aber auch von Tumoren steigt ständig. Derzeit sind in den USA mehr als ein Dutzend Erkrankungen bereits in der klinischen Praxis. Sie reichen von der eben beschriebenen SCID über Hämophilie bis zur zystischen Fibrose, um nur einige zu nennen.
Die Forschung hat hier eine Option geschaffen, die der frei entscheidende
Bürger nutzen kann. In unserem Land wird die Selbstkontrolle der Wissenschaft
durch Kommissionen, die ethische Fragen des anstehenden Eingriffs bewerten,
durch rechtliche Vorgaben und durch öffentliche Diskussion unterstützt.
Es kann die Voraussage gewagt werden, daß auch in der Bundesrepublik
somatische Gentherapie spätestens im nächsten Jahrzehnt ein Bestandteil
des medizinischen Repertoires sein wird, denn die Eingriffe sind für
den Patienten wenig belastend.
Medizin in den Entwicklungsländern:
Das Wachstum der Bevölkerung in den Entwicklungsländern ist nach
wie vor besorgniserregend hoch. Die Versorgung der Menschen in diesen Regionen
mit Nahrungsmittel und Medikamenten ist äußerst schlecht. Aufgrund
mangelnder Infrastrukturen ist eine auch nur halbwegs zufriedenstellende
Versorgung mit Medikamenten in diesen Regionen nicht oder nur sehr schwer
möglich. So ist die Behandlung diarrhoetischer Erkrankungen, die ganz
erheblich zur Kindersterblichkeit beitragen, ebenso schwierig, wie die Impfung
großer Teile der Bevölkerung gegen andere Erkrankungen. Im Wesentlichen
sind es die fehlenden Kühlketten, die Therapie und Prävention
verhindern.
Hier könnten biotechnologische oder besser gentechnologische Maßnahmen
Abhilfe schaffen.
Oral applizierbare Antigene zur Immunisierung bezw. oral appplizierbarer
Antikörper zur Therapie intestinaler Erkrankungen könnten genutzt
werden, ohne daß neue Infrastrukturen aufgebaut werden müßten.
Wie soll das geschehen?
Oral applizierbare Antigene und Antikörper:
Durch Schluckimpfungen konnten in der westlichen Welt Krankheiten, wie z.B.
Polio, unter Kontrolle gebracht werden. Aber auch die Therapie anderer viraler
Erkrankungen (z.B.Rotaviren), die den Intestinaltrakt betreffen und Diarrhoen
auslösen, könnte derart angegangen werden. Dieses Prinzip sollte
auch in den Entwicklungsländern genutzt werden können. Es gilt
demnach, oral applizierbare Antigene in einer "Verpackung" zu
verabreichen, die nicht erst den Aufbau von Verteilungssystemen oder Kühlketten
benötigt.
Gentechnologisch ist es heute möglich, z.B. Proteine in Pflanzen, die roh verzehrt werden, zu produzieren. Man könnte etwa Gene für die Synthese bestimmter Oberflächenantigene in Bananen, Karrotten, Cassava oder anderen zur Expression bringen und diese transgenen Früchte oder Pflanzen dann roh verzehren. Dies wäre analog der herkömmlichen Schluckimpfung.
Wichtig ist, daß hierfür nur Pflanzen verwendet werden, die den
Bewohnern der Entwicklungsländer vertraut sind.
Analog könnte mit in-vitro maßgeschneiderten einkettigen Antikörpern,
die
z. B. gegen Oberflächenantigene von Bakterien gerichtet sind, verfahren
werden. Ausprägung derartiger Konstrukte in geeigneten Pflanzen könnte
so eine orale Therapie intestinaler Erkrankungen ermöglichen.
In beiden Fällen handelt es sich um transgene Pflanzen, die zweifellos,
auf Grund des komplexen Know-Hows nur in den Industrieländern hergestellt
werden können. Dieses Know-How existiert zwar bei uns in NRW und in
anderen Bundesländern, wird aber nicht genutzt, da die Herstellung
derartiger Produkte offensichtlich keinen Markt für die heimische Industrie
darstellt.
Daher folgender Vorschlag:
Eine Einrichtung für "Angewandte Biotechnologie" wird
etabliert, in der maßgeschneiderte Produkte (transgene Pflanzen) für
die Entwicklungsländer hergestellt werden. Die Mittel hierfür
entstammen der Entwicklungshilfe und werden so im Lande gehalten. Sie schaffen
Arbeitsplätze für junge Leute und halten diese Spezialisten, deren
Abwanderung derzeit zu beobachten ist, im Lande.
Die Produkte können dann durch die Entwicklungshilfe in den Zielländern
verteilt werden.
Die Entwicklung der transgenen Pflanzen soll zusammen mit Experten aus den
Entwicklungsländern angegangen werden. Dies stellt sicher, daß
tatsächlich nur die geeigneten Pflanzen der Zielländer benutzt
werden, und daß auch ein Know-How-Transfer in diese Länder stattfindet.
Diese zunächst mit öffentlichen Mitteln operierende Institution
("Angewandte Biotechnologie") entwickelt dabei soviel
Know-How auf dem neuen Gebiet, daß dann auch Aufträge von der
einheimischen mittelständigen Industrie zu erwarten sind. Die hiesige
mittelständigen Unternehmen sind auf sich alleine gestellt wenig konkurrenzfähig
gegenüber den großen Konzernen und bedürfen daher einer
Institution, die zentral ihre Interessen wahrnimmt und für sie verwendbare
Produkte herstellt. Auf längere Sicht könnte die "Angewandte
Biotechnologie" ganz von den Unternehmen betrieben werden.
Eine weitere wichtige Komponente zur Verbesserung des Gesundheitszustandes
der Weltbevölkerung ist deren ausreichende Versorgung mit Nahrungsmittel.
Nach wie vor wächst die Weltbevölkerung exponentiell. Hieraus resultiert eine Vielzahl von Problemen, deren Lösung eine Herausforderung auch an die Wissenschaft darstellt. Gesundheit und Nahrung für alle könnte eine Forderung der Menschheit sein, für deren Erfüllung die wissenschaftlichen Erkenntnisse und technologischen Errungenschaften insbesondere der hochtechnisierten Nationen unerläßlich sind. Die Komplexität der obigen Forderung wird unter anderem dadurch deutlich, daß der Fortschritt bei der Nahrungsmittelproduktion durch das Populationswachstum überkompensiert wird. Maßnahmen zur weiteren Steigerung der Nahrungsmittelproduktion sind daher unerläßlich. Methoden der Biotechnologie einschließlich der Gentechnologie könnten hierbei einen wesentlichen Beitrag liefern, etwa durch die Herstellung von krankheitsresistenten Nutzpflanzen, die an die Biotope bestimmter Entwicklungsländer angepaßt sind. Jährlich geht etwa ein Drittel der Welternte durch Insekten, Krankheiten und Unkräuter verloren. Die einzelnen Anteile der Verluste sind bei den verschiedenen Kultursorten recht unterschiedlich. So gehen z.B. durch virale Erkrankungen bei Maniok in Afrika etwa 40% und gelegentlich bis zu 95% der Ernte verloren. Eine Vielzahl von wissenschaftlichen und technologischen Projekten, die der Ernährungssicherheit in den besonders vom Hunger bedrohten Weltregionen dienen, könnte aufgelistet werden. Durch Anbau von resistenten Sorten könnten die derzeit, insbesondere durch viröse Erkrankungen bedingten Ernteverluste in den Entwicklungsländern erheblich reduziert werden.
Es ist Sache der Wissenschaft, die Grundlagen für ein derartiges Programm
zu legen, Verteilung und Implementierung der Sorten in den Entwicklungsländern
müßten aber von der Politik sichergestellt werden.
Trotz der limitierten Mittel des Bundes könnten derartige Vorhaben,
wie bereits vorhin dargelgt ("Angewandte Biotechnologie")
ohne Weiteres im Rahmen der Entwicklungshilfe finanziert werden.
Während in den Entwicklungsländern die Ausrichtung der Landwirtschaft
in der Nahrungsmittelproduktion ganz auf Ertragshöhe und Ertragssicherheit
ausgerichtet sein muß, stehen bei uns andere Ziele im Vordergrund.
Westliche Welt:
Neben Verbesserung der Züchtungsverfahren selber, wie etwa der Einführung von Hybridsaatzucht bei verschiedenen Kultivaren und DNA-Marker-unterstützter Selektion zur Beschleunigung von Zuchtgängen, werden qualitative Verbesserungen der Nahrungsmittel im Vordergrund stehen. Die Übertragung von Genen zur Verbesserung der Sorten und der Anbau der transgenen Linien wird hierbei eine wichtige Rolle spielen.
Gentechnologisch veränderte Sorten werden unsere Nahrungsmittel sicherer
machen, insbesondere etwa für Allergiker. Dies zum einen, weil nun
erstmals die Möglichkeit besteht, in Pflanzen, die Allergien auslösen,
gentechnologisch die Ausprägung des entsprechenden Gens durch anti-sense
Strategie zu unterdrücken und somit die Pflanzen vom Allergen zu befreien.
Dies ist bei Reis bereits gelungen.
Im Gegensatz zum freien Verkauf von exotischen Früchten hierzulande,
die die einheimische Bevölkerung mit hunderten neuer Allergene konfrontiert,
werden transgene Pflanzen viel weitgehender als konventionelle Sorten auf
ihre Eigenschaften hin überprüft Die Überprüfung sollte
auch das allergene Potential des übertragenen Gens beinhalten. In so
fern macht Gentechnik unsere Nahrungsmittel sicherer.
Neben transgenen Pflanzen werden auch viele andere gentechnisch veränderten
Organismen in unserer Nahrungsmittel Produktion eingesetzt werden.
Die Beschaffung von Chymosin zur Käseherstellung ist bereits ein Problem,
da nicht genügend Kälber zur Verfügung stehen. Chymosin kann
in transgenen Mikroorganismen in beliebiger Menge, ohne Tiere schlachten
zu müssen und äußerst rein produziert werden, dank Gentechnik.
In Großbritannien wird die Majorität des Käses bereits mit
gentechnisch hergestelltem Chymosin produziert. Ähnlich ist die Situation
bei der Herstellung von Bier unter Nutzung gentechnisch veränderter
Hefen.
Der Einsatz gentechnisch veränderter Organismen zur Produktion von Nahrungsmittel wird weiter zunehmen, seien es transgene Pflanzen oder gentechnisch optimierte und in der Prozessierung der Ausgangsstoffe eingesetzten Mikroorganismen.
Ändern wird sich die Landwirtschaft im 21. Jahrhundert und durch ihre
Produkte wird auch die Industrielandschaft anders werden.
Die hohen Erträge der Landwirtschaft in Europa und Nordamerika werden
durch den Einsatz von Hochleistungssorten, den Anbau von Monokulturen und
den hohen Einsatz von Agrochemikalien erzielt. Dies führt zu einer
Reihe von unerwünschten Nebenwirkung, wie Reduktion der Biodiversität,
Bodenerosion und ökologische Belastung der Böden.
Die Landwirtschaft des 21. Jahrhunderts wird dies zu vermeiden suchen, ohne
jedoch ihre Leistungsfähigkeit einzubüßen.
Daher wird der Aufbau einer hochintensiven, aber ökologisch weniger
belastenden Landwirtschaft angegangen werden müssen.
Hierfür liefert die Gentechnologie wichtige Bausteine. Derzeit sind
eine Reihe von Sorten mit entsprechenden Eigenschaften im Feldtest und die
ersten transgenen Sorten kommen bereits auf den Markt, die für dieses
Szenario geschaffen sind.
Ich denke an Baumwoll- oder Mais-Sorten, die das Bt-Gen aus
Bacillus thuringensis tragen, dessen Genprodukt die Pflanze vor Insektenfraß
schützt und deren Anbau daher erhebliche Mengen von Insektiziden
einsparen hilft.
Ferner sind die vielen transgenen Sorten, etwa Kartoffel zu erwähnen,
die gentechnisch gegen Virus-Erkrankungen resistent gemacht wurden.
Dies wurde erreicht durch die Übertragung von in-vitro modifizierten
Virus-Genen und deren Ausprägung in der zu schützenden Pflanze.
Gegen virale Erkrankungen wurde bislang kein therapeutisches Mittel gefunden,
lediglich zur Prophylaxe werden Insektizide gegen die Überträger
der Krankheiten benutzt. Neben einem wirkungsvollen Schutz gegenüber
dem viralen Krankheitserreger hilft die transgene Strategie auch, die Menge
an Insektiziden und anderen Agrochemikalien, die gegen andere Überträger
gerichtet sind zu reduzieren.
Neuere Entwicklungen zeigen, daß in absehbarer Zeit eine Vielzahl
pflanzlicher Resistenzgene gegen pilzliche Erkrankungen zur Verfügung
stehen werden, die nach entsprechender Veränderungen und Übertragung
in den zu schützenden Kultivar erhebliche Mengen an Fungiziden einsparen
helfen.
Ebenso, obwohl oft kontrovers diskutiert, wird der Anbau Herbizid-toleranter Pflanzen sich auf dem Markt durchsetzen.
Viele dieser sogenannten Totalherbizide haben eine kürzere Verweildauer
im Boden und sind daher ökologisch weniger belastend als die klassischen
Substanzen. Sie können allerdings nicht ohne weiteres im Anbau genutzt
werden, da sie neben den Unkräutern auch den Kultivar abtöten
würden. Durch die Übertragung bakterieller Gene wurden eine Reihe
von Kultursorten bereits tolerant gegenüber verschiedenen Totalherbiziden
gemacht. Diese Herbizide können nun auch in der Saat angewandt werden,
da der Kultivar durch ein entsprechendes Gen vor der Wirkung der Substanz
geschützt ist. Dies ermöglicht den gezielteren Einsatz
dieser Mittel. Sollten die Unkräuter den Kultivar nachteilig beeinflussen,
dann ist der Einsatz dieser Herbizide angezeigt.
Dies spart dem Bauern Geld und reduziert die Menge der ausgebrachten
Herbizide und entlastet somit die Böden und das Ökosystem.
Der Trend, Pflanzen durch die Übertragung geeigneter Gene besser
auszustatten, so daß sie vor Krankheiten geschützt und gegen
Wildformen kompetetiver sind, wird sich weiter fortsetzen. Der Anbau derartiger
transgener Sorten wird zu einer erheblichen Reduktion des Aufwands an Agrochemikalien
führen und somit die Böden weniger belasten, ohne die Produktivität
der Landwirtschaft zu gefährden.
Ein weiteres Kapitel, das sich mit Beiträgen der Bio- und Gentechnik
zu Umweltfragen befaßt, soll, obwohl wichtig und zukunftsträchtig,
hier infolge der Kürze der Zeit, nur mit Schlagworten belegt werden.
Ebenso zeichnet sich ab, daß gentechnisch veränderte Mikroben bei der Kohleverflüssigung eingesetzt werden können, um einige Probleme bei der Verbrennung dieses Rohstoffes reduzieren zu helfen.
Im folgenden möchte ich jedoch auf viel weiterreichende Möglichkeiten
aufmerksam machen, die zu einer erheblichen Umstrukturierung unserer Industrielandschaft
führen könnten.
Erdöl ist zweifellos einer der wichtigsten Rohstoffe unserer Zivilisation.
Als Energiequelle genutzt oder als Ressource für chemische Produktion.
In beiden Bereichen treten Probleme auf.
Bei der Verbrennung entsteht CO2 als Treibhaus-relevantes Gas.
Die fortgesetzte Entlassung dieses Gases in die Atmosphäre bei gleichzeitiger
Reduktion der Fixierung von CO2 in der Photosynthese durch die Abholzung
der Wälder, aber auch durch die Zerstörung der CO2-bindenden Reaktionen
in den Meeren führt zu einer Verschiebung des natürlichen CO2-Gleichgewichtes
zwischen Atmung und Photosynthese, so daß eine Erhöhung der CO2
Konzentration in der Atmosphäre zu erwarten ist, die zu einer Temperaturerhöhung
führen könnte.
Zur Abwendung dieses Problems sind eine Vielzahl von Maßnahmen notwendig, wobei allerdings die Beiträge der Bio-oder Gentechnologie weniger prominent ausfallen.
Ganz anders ist die Situation im Falle der Nutzung von Erdöl als Ausgangsstoff
für die Produktion von Chemikalien. Gegenwärtig wird Erdöl
in riesigen Industrieanlagen in seine Bestandteile zerlegt, um die geeigneten
Fraktionen dann für die Synthese andere Chemikalien nutzen zu können.
Derartige Raffinerierung ist aufwendig und daher teuer, unabhängig
von der Tatsache, daß Deutschland keine nennenswerte Erdölproduktion
besitzt und daher auf Importe angewiesen ist.
Gentechnologie erlaubt heute bereits eine Reihe von industriell interessanten
Rohstoffen in Pflanzen zu produzieren.
Dies soll im folgenden erläutert werden.
Öle und Fettsäuren:
Pflanzen produzieren in der Regel Gemische von Ölen bezw. Fettsäuren
in einzelnen Speicherorganen, z.B. enthält Raps 40-50% Öl (das
sind Verbindungen aus Glycerin und Fettsäuren, die bei Zimmertemperatur
flüssige Konsistenz haben) in seinen Samen. 60% des Rapsöls bestimmter
Sorten besteht aus Ölsäure (C18:1).
Rapsöl wird hauptsächlich für Speiseöl, Backfett, Margarine,
aber auch für technische Zwecke verwendet.
Die Eigenschaften der Öle werden durch die Kettenlängen der Fettsäuren,
den Anteil der ungesättigten Fettsäuren und die Zahl und die Stellung
der ungesättigten Doppelbindungen bestimmt. Das erucasäurehaltige
Öl (C22:1) wird für technische Zwecke z.B.in der Waschmittel-
und Kunststoffherstellung verwendet. Erucasäurefreies Öl findet
als Nahrungsmittel in Form von Salatöl und Margarine Verwendung. Es
soll einen möglichst hohen Gehalt an der essentiellen, 2-fach ungesättigten
Linolsäure (C18:2) und zugunsten einer besseren Haltbarkeit wenig 3-fach
ungesättigte Linolensäure (C18:3) aufweisen. Schmierstoffe auf
der Basis von erucasäurefreiem Rapsöl zeichnen sich durch hohe
Viskosität und gute biologische Abbaubarkeit aus. Erucasäurefreie
Sorten wurden durch die klassische Züchtung bereits entwickelt.
Gentechnisch kann dieses System jedoch soweit verändert werden, daß
eine Vielzahl von neuen Ausgangsstoffen für industrielle Produktion
bereitgestellt
werden kann.
Die Mehrzahl der 210 bislang beschriebenen Fettsäuretypen, die von Pflanzen mit Hilfe der Sonnenenergie hergestellt werden, sind wirtschaftlich ungenutzt, da sie in Wildpflanzen vorkommen. Die Strategie, den Fettsäurebiosyntheseweg dieser Pflanzen in leicht anbaubare Rapssorten zu verlegen, ist daher höchst attraktiv.
Eine breite Palette von Genen der Fettsäurebiosynthese wurde bereits gentechnisch isoliert. Mit zunehmender Vervollständigung der Palette wachsen die Möglichkeiten die oben erwähnten Parameter und dadurch die Eigenschaften der pflanzlichen Öle zu variieren. Nicht nur daß die von der transgenen Pflanze produzierten Öle dem Nutzungszweck angepaßt, also "designed" sind, sie können auch in ausreichenden Menge z.B. in den Samen produziert werden, so daß aufwendige Reinigungen, wie sie etwa bei Erdöl als Rohstoffquelle notwendig sind, verinfacht werden.
Transgene Rapspflanzen mit hohen Anteilen an mittelkettigen Fettsäuren,
wie Laurinsäure (C12:0) und Caprinsäure (C10:0) wurden bereits
gentechnisch hergestellt. Die übertragenen Gene entstammen Pflanzen,
die oft nur schwer oder gar nicht in unseren Breiten angebaut werden können.
Mittelkettige Fettsäuren werden z.B. als Tenside in der Waschmittel
Industrie verwendet.
Der Anbau entsprechender transgener Rapssorten ist für unsere Bauern
kein Problem und würde die Landwirtschaft auf ein neues Standbein stellen,
unter der Voraussetzung, daß die weiterverarbeitende Industrie der
chemischen Unternehmen für die Abnahme des Materials auch bereitstünden.
Neuartige Stärken:
Die Situation bei anderen Polymeren, z.B. der Stärke scheint analog zu der Situation der Fettsäuren zu sein. Auch hier produzieren die Pflanzen in aller Regel Gemische in ihren Speicherorganen, wie etwa der Kartoffelknolle. Die Komponenten der Gemische müssen von der weiterverarbeitenden Industrie oft mühsam getrennt werden. Hier eröffnet die Gentechnik die Möglichkeit transgene Kartoffel zu "designen", die entweder nur gradkettige oder nur verzweigtkettige Stärken enthalten. Dies entscheidet über die industrielle Nutzung.
Die unverzweigte Amylose wird z.B. zur Erhöhung der Festigkeit in Polymeren genutzt, wohingegen das verzweigtkettige Amylopektin hohe Kleb- und Bindekraft besitzt.
In Zukunft könnte auch die gentechnische Manipulation der Kettenlänge,
die chemische Natur der Kohlenhydrate wie auch die Art der Verzweigung eine
Rolle spielen. Dies ist sicherlich noch eine Herausforderung an die Wissenschaft
eröffnet aber potentiell ein völlig neues Betätigungsfeld
industrieller Bemühungen. Die Erwartung ist, daß die hieraus
resultierenden Polymere biologisch abbaubar sind und daher keine ökologische
Belastungen darstellen.
In Folge der fortgeschrittenen Zeit sollen die Möglichkeiten der Veränderungen
des Intermediärstoffwechsels von Pflanzen oder pflanzlicher Zellkulturen
zur Produktion von pharmakologisch wirksamen Substanzen nicht weiter diskutiert
werden, vielmehr soll ein letztes, weil, wie ich meine, spektakuläres
Beispiel meine Ausführungen abrunden.
Biologisch abbaubares Plastik:
Polyhydroxybuttersäure (PHB) ist ein thermisch verformbares und biologisch abbaubares Plastik. Dieses Polymer wird von einigen Bakterien z.B. von Alcaligenes eutrophus mit Hilfe von drei Enzyme, die bereits isoliert wurden, synthetisiert. Nach entsprechenden Veränderungen und der Übertragung dieser modifizierten Gene in Pflanzen wurde die Bildung von PHB in den Transgenen beobachtet.
Vorteil des Verfahrens: stehen die transgenen Pflanzen einmal zur Verfügung,
dann ist der energetische Aufwand zur Herstellung des umweltfreundlicheren
PHBs, da durch Sonnenenergie ermöglicht, relativ gering.
Analog zu dem Fettsäure Modell ist auch bei diesen biologisch abbaubaren
Polymeren eine Vielzahl von Variationsmöglichkeiten, wie Kettenlänge
des Polymers, Art der zu polymerisierenden Säure, Art und Zahl der
Verzweigungen möglich.
Die Möglichkeiten der Nutzung derart "designter" Pflanzen
ist eine Herausforderung an die Industrie und eröffnet den Bauern ein
neues Betätigungsfeld.
Einige Trends der Bio- und Gentechnologie wurden kurz dargestellt.
Die Antwort auf die offenkundige Frage nach der Beteiligung von NRW und
der Bundesrepublik an diesen Entwicklungen ist sehr ernüchternd:
Forscher unseres Landes haben erhebliche Beiträge bei der Erarbeitung
der Grundlagen für diese Entwicklungen geleistet. Bei der Nutzung dieses
Know-Hows befinden wir uns allerdings eher auf dem Stand eines Entwicklungslandes.
Dies hat Konsequenzen für die Wissenschaft, denn die jungen Leute, deren Gehirne im Wissenschaftsprozeß so wichtig sind, bleiben aus. Junge Leute, die keine Job- Möglichkeiten sehen, da ein Engagement der Industrie nicht im breiten Maß festzustellen ist, nehmen erst gar kein entsprechendes Studium auf.
Junge Wissenschaftler verlieren entweder ihre Motivation oder wandern aus
ähnlichen Gründen aus und so langsam verabschiedet sich bundesdeutsches
Know-How aus der innovativen Wissenschaft, wenn nicht radikale Verbesserungen
in der Anwendung dieses Know-Hows bald sichtbar werden.
So wird es notwendig werden, neue Ziele zu definieren, die als Herausforderung
an Wissenschaft und die Nutzung ihrer Erkenntnisse zu sehen sind.
Ich begrüße daher ganz ausdrücklich das "Statement"
von Minister Rüttgers bis zum Jahre 2000 die Nummer 1 in Biotechnologie
in Europa sein zu wollen. Ebenso inspirierend scheint mir der BioRegio Wettbewerb
zu sein, der erstmals eine konzertierte Aktion zwischen Wissenschaft und
Wirtschaft im großen Stil einläutet und für unser ganzes
Land eine Herausforderung darstellt.
All das ist zu begrüßen, wird allerdings nur von Erfolg gekrönt
sein, wenn auf Dauer die Nutzung der zukunftsträchtigen Bio- und Gentechnologie
auch Unterstützung durch die Öffentlichkeit erfährt.
Dialoge zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Öffentlichkeit könnten
hier weiter helfen und werden in diesem Bundesland u.a. durch die BioGenTec
Initiative, die von der NRW Landesregierung unterstützt wird, geführt,
allerdings könnte ein höheres Engagement der wissenschaftlischen
Community auch hierbei hilfreich sein.
Wir sollten nicht vergessen, daß Wissenschaft eine wichtige Komponente
unserer abendländischen Kultur ist und ihre Förderung und Nutzung
eine Notwendigkeit unserer Zukunftssicherung darstellt.
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